Auch aus 2006 hatten wir das Duo einfacher Röttgen/Röttgen alte Reben am Start. Den Anfang machte der einfache:
Ein Hauch Botrytis in der Nase, sehr viel Frucht, Pfirsich und mürber Apfel, schöne Mineralik. Mit mehr Luft wird der
botrytische Ton noch etwas stärker, vor allem Karamell gesellt sich hinzu. Für den Jahrgang dennoch eine erstaunlich
differenzierte Nase, zudem blitzsauber und klar! Am Gaumen im Anklang ebenfalls Karamell, dazu viel gelbe Frucht, etwas
Honig, feine Röstnoten. Leider hinten heraus eine Spur knapper, schlanker, da dürfte er noch differenzierter sein.
Dennoch auch im Abgang eine ziemlich feine, kraftvolle Sache, schlank aber durchaus lang. 90 Punkte. Am zweiten Tag
keine Spur schwächer, im Gegenteil, er wirkt hinten fast noch ein wenig voller auf mich. Toller Erfolg für einen alles
andere als einfachen Jahrgang.
Wie beim Brüderpaar aus 2005 setzte auch 2006 der alte Reben noch einen kleinen drauf: Sehr kräftige Nase, kandierte
Aprikose pur, dann immer mehr Schiefer, tolle Mineralik, keinerlei Botrytis zu erkennen. Wenn es überhaupt etwas zu
bemängeln gäbe, dann einen sauternigen leichten Lösungsmittelton, der aber nur zwischendrin mal kurz aufflackert und
sich dann wieder verzieht. Gut so. Am Gaumen voll, recht üppige Restsüße, die diesem Wein auch sehr gut steht. Und
dann wieder ein Flash: Studentenfutter Nüsse, Mandeln, Rosinen, das volle Programm. Dazu ein zarter Ton von
Portwein, nur ohne den Sprit natürlich. Sehr schöne Länge, im Abgang kraftvoll, bis ganz hinten mit reichlich Druck
unterwegs, das macht Freude. Hundertprozentig sauber, keinerlei Sauerfäule, wenig Botrytis, wieder ein Riesenerfolg in
diesem schwierigen Jahrgang. 91 Punkte. Am zweiten Tag noch etwas besser, da schreibe ich sogar eine 92 dahinter.
Weh-Weh-Weh
Willis Hausbesuche
Weingut Heymann-Löwenstein (Teil II)
Das können wir steigern, als nächstes kam der Röttgen 2007 ins Glas. Duftige Aprikosennase, sehr kräftig, schöne
kräutrige Würze und zunächst noch mit eher verhaltener Mineralik unterwegs. Am Gaumen toller Anklang, opulente
orangegelbe Frucht, dicht, tolle Fülle. Großartiger Abgang, bleibt ewig lang und dabei voll und saftig. Tolle Fruchtsüße in
perfekter Balance mit der Säure, kleidet den Gaumen wunderbar aus. Immer wieder notiere ich viel Saft“ und mache
beliebig viele Ausrufezeichen dahinter. 92 Punkte. Am nächsten Tag gab es sogar noch einen mehr und erhöhte ich auf
93, da wirkte er noch etwas vielschichtiger.
Weiter mit dem 2008er Röttgen. Ziemlich opulente Nase, schöne Fruchtfülle, aber auch mit einem bunten Strauß
Wiesenkräuter unterwegs, das gibt ihm ein interessantes Spannungsverhältnis. Am Gaumen eher fruchtbetont, hier
stehen die Kräuter mehr im Hintergrund, dafür meldet sich die Mineralik zu Wort und zwar geräuschvoll. Sie harmoniert
aber bestens mit der Frucht, insgesamt kommt der Wein sehr weich und cremig an die Papillen. Schön voll und durchaus
lang. Viel Trinkfreude, das kam nach dem gelungenen 2008er Uhlen nicht mehr ganz überraschend, zumal ich vor einer
Woche auch den Schieferterrassen mit sehr viel Genuss getrunken hatte. 89 Punkte.
Der 2009er Röttgen wirkte auf den ersten Schnupperer noch erstaunlich jung. Da war sogar noch eine Spur Schwefel in
der Nase wahrzunehmen, die aber schnell verflog. Schöne Mineralik, eher Feuerstein als Schiefer, reife Frucht, auch
leicht röstige Aromen. Legt mit Luft schnell stark zu und wird immer besser. Am Gaumen cremige Aprikosenfrucht pur,
tolle Fülle, schönes mineralisches Spiel. Tiefgründig und voll, großartige Balance zwischen Süße, Säure und Mineralik.
Extrem lang, dabei voll und einfach nur charmant. Ein Röttgen wie er im Buche steht. 92 Punkte. Am zweiten Tag fast
noch besser.
Als vorletzten Wein der offiziellen Probe gab es nun den Röttgen 2010. Noch vor einem halben Jahr sehr schwierig, weil
mit rasend viel Säure unterwegs und sehr unlöwensteinig. Jetzt ging das schon etwas besser: Sehr feuersteinige Nase,
viel Schiefer, aber auch eine kleine Spur Lösungsmittel. Mit Luft kommt mehr und mehr Frucht heraus, dazu auch
Kräutertöne, das Ganze erstaunlich fein und harmonisch, auch weil der Lösungsmittelhauch sich ein wenig reduziert. Am
Gaumen wirkt der Wein erst extrem botrytisch, voll, saftig, leicht kandierte Früchte. Kriegt den Alkohol nicht völlig
weggedrückt, doch besticht die unglaublich volle, feine Aprikosenfrucht. Und dann hat der Kerl eine Dichte und Länge,
wie man sie nur selten bei einem Röttgen erlebt. Ich geb ja keine Prognosen mehr zur Alterung ab, aber die restlichen
Flaschen in meinem Keller werde ich so ganz schnell nicht antasten. 90 Punkte, am Tag drauf gabs sogar die 91, weil der
Alkohol da deutlich weniger stach.
Und den Schlusspunkt setzte dann der Röttgen 2011. Was für ein Wein! Sagenhaft opulente Nase, der ganze Charme
der Jugend! Natürlich vor allem auf der Frucht, Mineralik und Würze halten sich erst einmal noch vornehm zurück. Auch
am Gaumen steht die Aprikose dicht, voll und saftig wie ein Monument unter dem Zäpfchen und lässt mir das Grinsen gar
nicht mehr vom glücklichen Igelgesicht. Toller Abgang, grandioses Spiel von Süße und Säure, gerade hinten heraus hat
dann auch die Mineralik ihren Auftritt und gibt ihm noch mehr Tiefe und Komplexität. Toller Wein, erntet zwischen 92+
und 93 Punkten aus der Runde und von mir am nächsten Tag sogar eine 94, weil er noch etwas offener und komplexer
geworden ist.
Zum Abschluss gab es noch drei Süßweine, einen davon aus dem kaiserlichen Weinkeller, dafür ein herzlicher Dank an
den Weinkaiser Ralf I. Ich darf hier sagen, dass mich sein Edelsüßer nicht wirklich überzeugt hat. Denn meine beiden
waren auch nicht besser.
Trotzdem eine hochinteressante Löwensteinigung. Schade nur, dass ich vergessen hatte, auch Sack und Asche zu
besorgen, denn die hätten wir angesichts so mancher Prognose aus der letzten Probe sicherlich gebrauchen können.
Am Ende stand das Fragezeichen, ob (und warum) insbesondere die Uhlens wirklich weniger gut altern als von uns
zuletzt angenommen. Die meisten Probenteilnehmer zogen für sich dann doch das Fazit, ihre restlichen 04er, 05er und
06er so bald wie möglich trinken zu wollen. Gerade der nicht mehr wirklich gute Zustand der 2005er war enttäuschend.
Bei den 2004ern gab es mehrheitlich eine ähnliche Auffassung, die ich allerdings nicht ganz teile, weil ich den Stil des
Jahrgangs recht gerne mag. Auf der Habenseite können die Löwensteins dann aber für sich verbuchen, dass sie sich in
den schwierigen Jahrgängen 2003 und 2006 besser geschlagen haben als praktisch alle Mitbewerber. Und natürlich
haben wir aus den Jahren 2007 bis 2011 wirklich grandiose Löwensteine im Glas gehabt. Eine tolle Überraschung waren
für mich schließlich die Qualität und das Reifepotenzial der Weine vom Lubentiushof. Respekt, für vergleichsweise
kleines Geld bekommt man da richtig viel Wein ins Glas.
Die zurückgelegte Strecke...