Weh-Weh-Weh
Willis Wein Werkstatt
Emrich-Schönleber 2009
Verkostet im April 2011
Die ersten Erfahrungen mit dem Jahrgang 2010 lassen es angeraten sein, dem 2009er noch ein wenig nachzuspüren und
vielleicht eher noch das eine oder andere aus 2009 in den Keller zu packen. Emrich-Schönleber hat in diesem Jahr ja
allgemein ganz ordentliche Kritiken bekommen und mir bei den ersten Verkostungen sogar besser gefallen als Dönnhoff.
Also ran an den Speck, ein kleines Carepaket geordert und raus mit den Korken. Damit die Sache nicht zu kompliziert
wird, habe ich mich auf den Monzinger Halenberg beschränkt und mir das Große Gewächs, die restsüße Auslese und die
Trockenbeerenauslese gegönnt.
Als erstes musste das Große Gewächs dran glauben: Zitrusfruchtige Nase, rosa Grapefruit stromert durch den
Riechkolben, dazu ein Hauch Aprikose, ein Spürchen Grand Marnier. Am Gaumen zeigte er sich ganz ähnlich, vor allem
stark von der Frucht dominiert einer der saftigsten Weine des Jahrgangs, reichlich frische, vollreife Aprikose, dazu
erstaunlich säurearm wirkende Grapefruit, warm, dicht, schöne Reife, wenn auch bei aller Saftigkeit noch sehr
verschlossen. Schöne Fruchtsüße, der Wein wirkt, als sei er eher im obersten Segment von "trocken" anzusiedeln.
Kalkig-erdige Mineralität, im Verhältnis zur Frucht aber noch sehr verhalten. Erstaunlich, wie ein Wein in der Nase so
schön offen, im Mund aber noch so verschlossen sein kann. Dachte ich mir so. Bis ich ihn unbeaufsichtigt etwa 30
Minuten im Glas stehen ließ und dann plötzlich eine Aromenexplosion im Mund hatte. Plötzlich war die Frucht noch viel
direkter, kein Anklang mehr, schon eher ein Anschlag. Klavieranschlag natürlich, nicht Al Quaeda, aber fortissimo, voll
druff. Auch die Mineralität kommt wesentlich stärker in den Vordergrund und spielt plötzlich auf Augenhöhe mit der
Frucht. Vielschichtig, dicht gepackt, was für ein Volldampfwein! Der noch immer reichlich Zeit braucht, da ist noch viel
Potenzial nach oben. Toller Abgang mit reichlich Druck und leider auch einem ganz leichten bitteren Nachhall. Eines der
interessantesten und wahrscheinlich auch besten Großen Gewächse des Jahrgangs, für mich aber derzeit noch hinter
dem Pettenthal von Kühling zurück, eher auf Augenhöhe mit Christmanns Idig. Allerdings noch nicht ganz so präsent wie
dieser. 92+ von 100 Willipunkten.
Am nächsten Abend folgte die restsüße Auslese. Eine tolle Nase brachte sie mit, mit botrytischer Fanfare voraus, dahinter
ein ganzer Korb Südfrüchte. Mango, Passionsfrucht, dann auch Limone, sorgsam untermalt von einem leicht
waldmeistrigen Kräuterton.
Am Gaumen sagenhaft voll, fast erdrückende Süße, erst in der Mitte merkt man, dass da auch ganz kräftig Säure
dagegen steht. Das sind Momente, Sekundenbruchteile vielleicht nur, in denen man ihn glatt für einen Eiswein halten
könnte. Ölig, druckvoll, tiefgründig, auch im Abgang ungemein saftig, fruchtbetont, immer mit zarter Botrytiskopfnote,
verschlankt sich kaum, bleibt fast ewig und hält den Druck besser als ein fabrikneuer Autoreifen. Vielleicht nicht der ganz
große Tiefgang, zugegeben, es ist keine monumentale Auslese. Dafür aber eine sehr feine. Noch viel, viel Zukunft.
Würde ich erst in zwanzig Jahren ernsthaft anfassen, zumal die Botrytis eine recht feine, dezente ist, so dass nicht zu
fürchten steht, dass sie die Rebsortentypizität unterpflügt. Für 13 Euro die Halbflasche geradezu geschenkt. 90+ von 100
Willipunkten.
Und dann die Trockenbeerenauslese. Bei der mir Papa Heuss wieder in den Sinn kam, der als guter Württemberger
Viertelestrinker einmal formulierte: "Wer Wein trinkt, betet". Ja, ja, die TBA hätte man eigentlich auf Knien genießen
müssen. Als ob ein Engel über die Seele gepinkelt hätte! Dörraprikose, viel Honig und dicker Karamell in der Nase, mit
einer Wucht, wie man sie selten erlebt. Da kann man den Duft fast schon schneiden. Am Gaumen saftig, saftig, saftig
scheint in dem Jahr im Halenberg durchgängig ein Charakteristikum zu sein. Limoniger Anklang, dahinter ungemein
intensive Botrytis, trotzdem bringt er auch noch schöne Schiefernoten und einen Hauch Waldmeisterwürze ein.
Unglaublich tiefgründig, vielschichtig, er gibt seine Geheimnisse nur schrittweise frei. Da kann man andächtig werden
und das Glas tröpfchenweise leeren, um den Genus so lange wie möglich auszudehnen. Ewige Länge, ungemein
druckvoll, eine Trockenbeerenauslese, wie es viel besser an der Nahe kaum geht. 96 bis 97 von 100 Willipunkten. Groß!
Fazit: Mit Emrich-Schönlebers Halenberg kann man 2009 kaum etwas falsch machen. Kaufen, Kaufen, Kaufen! Wer
weiß, in welchem Jahrgang es wieder so gute Weine geben wird.
Heute auf der Hebebühne: Emrich-Schönleber 2009