Weh-Weh-Weh
Willis Hausbesuche
Marcel Deiss
Wenn das keine Adventszeit für die Sozialspannermedien ist. Wochenlange, ach was, gefühlt monatelange, wenn
nicht jahrelange Berichterstattung darüber, wann die Frau Middleton endlich den Windsorknoten im Muttermund
lösen und sich den royalen Braten aus der buckinghamschen Röhre schrauben werde. Obs gar einen
Kaiserschnitt geben könne, wurde gemutmaßt. Was ein Unsinn, der Ableger wird mit der Geburt nicht Kaiser, der
wird erst einmal nur Prinz. Und König wahrscheinlich erst nach dem Ableben der Urgroßmutter und der
nachfolgenden Generationen, irgendwann um 2150 herum. Kaiser aber nie. Denn den gibts nur in Deutschland
und dafür muss man Fußballer sein.
Weiß sowieso keiner, warum das alles wichtig sein soll. Was leisten die Royals schon außer in Naziuniformen zu
Parties oder an Tunnelpfeilern zugrunde zu gehen? Nein, hier geht es um etwas ganz anderes. Die Yellow Press
versucht immer wieder - und das gar nicht so unerfolgreich - Lady Di und Lady Gaga und andere intellektuelle
Flachbildschirme so geschickt zu Identifikationsfiguren hoch zu stilisieren, dass diese Prominenten als
Projektionsflächen für Durchschnittsversager nutzbar werden. Wenn das eigene Leben schon nichts zu bieten
hat, dann muss man sich eben mit dem Leben Dritter befassen, sei es als Blockwart, sei es als Fan. Dem
Adelspack sei die daraus resultierende nervtötende Vollzeitbelagerung durch die Mediennutten übrigens
durchaus von Herzen gegönnt, schließlich verzehren die Von und Zus in der Regel steuerfinanzierte Apanagen
bzw. das aus solchen Apanagen zusammenschmarotzte "Privat"vermögen. Da darf als kleine Entschädigung der
Dauerauftritt als Pausenclown in den traurigen Existenzen von Buntelesern schon gefordert werden.
Das Schlimme ist nur, dass auch die öffentlich-verächtlichen Sender es offenbar als Teil des
Grundversorgungsauftrags verstehen, uns über den Fortgang der royalen Presswehen unterrichtet zu halten. Wer
dem entgehen wollte, hatte nur noch eine audiovisuelle Zuflucht, Eurosport. Da lief zwar auch nur Frauenfußball,
aber normalerweise gebären die wenigstens nicht mitten im Spiel im Mittelkreis...
Einige Leichtgläubige waren nun tatsächlich der Meinung, die nervtötende Beballerung mit Nachrichten vom
Windsor-Winzling könne mit dessen Entlassung aus der Gebärmutter der Herzogin von Cambridge abgeschlossen
sein. Weit gefehlt, nun geht es in die zweite Runde. Das erste Foto muss gezeigt, die Hebamme interviewt und
natürlich tagelang darüber spekuliert werden, welchen Vornamen der neueste Zuwachs des Insel-Adelsgeschmeiß
wohl tragen könne. Und da wirds interessant! Ach was, nein, interessant ist natürlich nichts von dem, was sich bei
den Nichtsnutzen von Buckingham abspielt. Aber, sagen wir, es gab ein Zusammentreffen von Ereignissen,
dessen Zufälligkeit ich zunächst einmal bestreiten möchte. In einer kleinen Unterbrechung der royalen
Uterusbelagerung sendete die ARD doch tatsächlich den Film "George". In dem sich Götz George wieder einmal
vergeblich bemühte, etwas anderes als sich selbst darzustellen, diesmal seinen Vater Heinrich. Der gute Götz
kann aber leider nur den einen Tonfall, nur die eine Sprechmelodie. So war dann auch der Heinrich George im
ARD-Film nicht George, sondern Götz, also eine Art Weimar-Schimanski. Aber, und darauf will ich eigentlich
hinaus, mitten in dem Film schalte ich in den Videotext und sehe da: "Windsorbaby wird ein George". Wie ist das
denn jetzt zu verstehen? Soll der Götz auch den kleinen Prinzen spielen? So dass die Inselaffen eine Art
Miniaturschimanski als drittnächsten König kriegen, mit glucksendem Lachen, stammelnder Nuschelsprechweise
und mantafahreresker Rotzbremse unter dem royalen Gesichtserker? Man stelle sich die erste
Regierungserklärung vor: "Nee, Du, Mensch, das ist doch, das ist doch (glucksendes Lachen), das kann doch
nicht, kann doch nicht, also, Du, Mensch, nee, also Scheiße!" Ganz ehrlich, den Goldblattlesern und
Galakonsumenten würde ich es schon gönnen.
Hmm, tja, nun weiß ich gar nicht, ob ich in dieser angespannten Mediensituation überhaupt über den dritten
Weingutsbesuch der Gierschlünde im Elsass berichten darf, zumal da garantiert keine britischen Säuglinge drin
vorkommen. Immerhin ging es aber zu einem der Blaublüter der elsässischen Weinszene. Weinadel also, vielleicht
wird der Scheff das gelten lassen und den Beitrag auf seinen Blogg durchwinken. Weineinkauf ist ja auch
Grundversorgung, also bin ich da fast im öffentlich-rechtlichen Bereich unterwegs.
Wir waren diesmal bei den Deissens. Das sind die Typen mit dem gemischten Satz. Nicht wie bei Georges Götz,
dass viele "Mensch" und "Du" in die ansonsten architektonisch sauber aufgerissene grammatikalische
Satzarchitektur zuwanderten. Auch nicht wie bei den Geissens, denen immer wieder mal ein "wieheißtet?" in die
ansonsten klare Folge von Subjekt, Prädikatswein und Sexobjekt rutscht. Bei den Deissens geht es vielmehr, Du,
Mensch, wieheißtet, um das gemischte Setzen von Rebsorten im Weinberg. Riesling neben Grauburgunder, neben
Weißburgunder, neben Auxerrois. Diese "complantation" führt dann, so behaupten es jedenfalls die Deissens,
dazu, dass die unterschiedlichen Sorten gegen alle Gewohnheit gleichzeitig reif werden. So dass es kaum mehr
Lesedurchgänge als bei der Normalbestockung braucht. Natürlich kann man diesen Effekt auch noch fördern,
etwa indem man frühreifere Rieslingklone und spätreifende Pinots pflanzt. Aber auch unabhängig davon, so
erklärte man uns vor Ort, entwickle sich zwischen den Reben eine Beziehung, die für harmonische Reifeprozesse
im Gleichschritt sorge. Klingt esoterisch, scheint aber ganz gut zu funktionieren, denn was ins Glas kam, war sehr
überzeugend.
Allerdings fingen wir mit einem reinsortigen Tropfen an, dem Gutsriesling aus 2011. Eher verhaltene aber
klassische Rieslingnase, zitrusfruchtig, etwas Pfirsich, Ananas, verhältnismäßig schlank aber klar und
ansprechend. Am Gaumen ein schöner Trinkriesling, relativ niedriger Restzucker, sehr trockene Prägung, dabei
wunderbar elegant und balanciert. Viel Pfirsich, mittelkräftige Substanz, das aber mit Tiefe und vor allem guter
Länge. Im Abgang legt er eher noch zu und zeigt sich noch etwas voller als am Gaumen. 86 von 100 Willipunkten.
Dann der gemischte Satz aus dem Langenberg, einem granitiger Weinberg in voller Südexposition, etwas oberhalb
von Ste.-Hippolyte. In den Jahrgang 2009 haben Riesling, Pinot Gris, Beurot, Muscat dAlsace und Pinot Noir
Eingang gefunden. Entsprechend mächtig und opulent duftet er, reife Apfelsine, kräutrige Würztöne, auch noch
ein wenig wachsig, das kann noch eine ganze Weile reifen und zulegen, obwohl schon heute eine Macht. Am
Gaumen stark auf der Kräuterseite, dazu bringt er eine kühle, holundrige Frucht hervor, zitronige Säure und einen
zarten mineralischen Anklang. Schöne Fülle, die sich im Abgang allerdings etwas zu schnell verschlankt! Auch
eine Spur alkoholisch. Organoleptisch bewegen wir uns hier im oberen Trocken, eine Spur elsässische Süße
bringt der Langenberg schon mit, aber nicht zuviel. 87 von 100 Willipunkten.
Weiter ging es mit dem 2010er Engelgarten, komponiert aus Riesling, Pinot Gris, Beurot, Muscat dAlsace und
Pinot Noir. Der Engelgarten liegt mitten in Bergheim, ist nach Osten ausgerichtet, mit sehr kiesigem, kargem
Boden, der die Reben dazu bringt, besonders tief zu wurzeln. Auch dieser Wein bringt die volle, opulente Nase
mit, wie sie für complantations so typisch ist, etwas duftiger als der Langenberg, eher mit floralen Tönen,
Blütenduft unterwegs als fruchtbetont. Am Gaumen wirkt er sehr rieslingartig, säurebetont, elegant, verspielt, bei
weitem nicht so druckvoll und vielschichtig wie die Nase es verheißen hatte. Allerdings reifen die 2010er sehr
langsam, da dürfte sich also voraussichtlich noch ein deutlich breiteres Spektrum an Aromen entwickeln. Schon im
Glas ließ sich das ahnen, als nach einigen Minuten stärkere mineralische Komponenten schmeckbar wurden, an
erster Stelle die feuersteinigen Töne, die für den Engelgarten typisch sind. Die Säure entspricht der Typizität des
Jahrgangs 2010, mit anderen Worten, sie ist ausgesprochen kräftig. Im Elsass funktioniert das aber ganz generell
und speziell auch bei Deiss besser als es in den meisten Anbaugebieten Deutschlands funktioniert hat. Das
warme Klima im Schlagschatten der Vogesen hat der Säure entsprechende Extrakte gegenüber gestellt. Und weil
die Säurewerte sonst am Oberrhein gerne mal etwas zu niedrig insbesondere für langlebige Rieslinge ausfallen,
liegen in diesem Säurejahr eigentlich nur in den Bereichen, wie sie die Mosel in fast jedem Jahr aufweist. So hat
der Engelgarten jede Menge Reifepotenzial und bekommt 87+ von 100 Willipunkten.
Vor allem aus Riesling und Pinot Gris setzte sich der vierte Wein der Probe zusammen, ein Rotenberg 2007.
Gewachsen auf rotem Kalkstein und mit 30 bis 35 Gramm Restzucker ausgebaut. Das merkte man in der Nase
sofort, die sogar einen leicht botrytischen Einschlag mitbrachte, ansonsten ein vor allem blumig-florales Gesicht
zeigte, sehr voll und mit viel Charme unterwegs. Am Gaumen, klar, da ließ sich nicht wegdiskutieren, dass wir uns
im oberen Halbtrocken bewegten. Was nicht so ganz harmonisch wirkt, wenn man wie dieser Wein vor allem auf
der breiten, öligen Schiene des Grauburgunders unterwegs ist. Auch schien mir die Botrytis die Trinkigkeit etwas
zu hemmen. Dennoch, das ist alles andere als schlecht! Melonige Frucht, großzügige Anlage, auch ein Hauch
Kräuter ist dabei und eine kühle Mineralik im Untergeschoss, die allerdings von der Süße etwas zu sehr
verkleistert wird. Irgendwie hinterlässt mich dieser Wein zwiespältig, den hätte ich gerne mal mit einem Restzucker
in halber Höhe probiert. Dennoch auch hier 87 von 100 Willipunkten. Aber ohne Pluszeichen dahinter.
Es folgte der Schoffweg aus 2009, vor allem aus Riesling und Pinotsorten gekeltert, auf kalkigen Böden
gewachsen und ein Jahr in burgundischer Eiche im kleinen Fass ausgebaut. Mit 10 Gramm Restzucker unterwegs.
Eher schlanke, rieslingbetonte Nase, dazu etwas Bergamotte, insgesamt nicht sonderlich ausdrucksstark im
Riechkolben. Am Gaumen dominiert der Alkohol zunächst recht deutlich. Es sind 14 Prozent zu verdauen, das
schafft der Schoffweg nicht wirklich richtig gut. Dann kommen aber schöne Kräutertöne, wieder die Bergamotte.
Viel Stoff, sehr mundfüllend, bis hin zur Gewalttätigkeit, das wird fast anstrengend. Gerade rechtzeitig kommt dann
die Mineralität des Weges und lockert das Aromenbild wieder auf, macht zwei, drei verschnörkelte Ornamente dran
und bietet Abwechslung. Hinten heraus durchaus druckvoll, geschmacklich aber verschwimmend. 86 von 100
Willipunkten.
Zu gleichen Teilen aus Riesling, Pinot Noir und Gewurztraminier setzte sich der nächste Wein zusammen, der
Gruenspiel 2008, gekeltert aus einem Weinberg an der Straße zwischen Bergheim und Ribeauvillé, etwas oberhalb
des Anwesens von André Kientzler. Kalkige Böden mit Schiefer und etwas Ton durchsetzt. In der Nase bringt der
Gruenspiel erst einmal frischen, feuchten Tabak an den Start, dazu eine getrocknete Aprikose, Dörrpflaume, ja,
man kann ganz allgemein sagen, confitierte und getrocknete Früchte. Mit mehr Luft entwickelt sich außerdem eine
leicht kalkige Mineralität. Die schlägt auch als erstes am Gaumen an, mit ordentlich Wumms, da kehren sich die
Kräfteverhältnisse aus der Nase einen Moment lang um. Ein Powerwein! Dann treten die Dörrfrüchte hinzu, den
Gewürztraminer, den ich eigentlich im Verdacht hatte, dass er die anderen Reben dominieren, im wahrsten Sinne
des Wortes einseifen würde, merkt man kaum, der steht dezent am Rande des Spielfelds und wirft immer wieder
mal ein paar Rosenblätter auf die Zungenspitze. Die Säure des Rieslings fängt das aber gut auf, zumal der Riesling
auch noch einen feinen, frischen Weinbergspfirsich in den Rosengarten stellt. Auch der Pinot bringt zusätzliche
Frucht ins Spiel, insgesamt bringt das eine sehr gelungene Cuvée zusammen, die voll und lang am Gaumen steht.
88+ von 100 Willipunkten.
Was so alles an Rebsorten seinen Weg in den 2008er Burg gefunden haben mag? Es war weder zu schmecken,
noch rückten die Deissens mit Detailinformationen heraus. Alle Rebsorten des Elsass“ seien drin und da käme,
sollte das stimmen, ja wirklich einiges zusammen. Entsprechend kräftig wirkt die Nase, eher auf der floralen Seite,
durchaus burgundisch unterwegs, wenngleich leider etwas breitelnd. Am Gaumen kommt er dann deutlich feiner
an, das überrascht positiv. Prägnanter Botrytiston, aber nicht erschlagend. Viel Stoff, schöne Balance von Süße
und Säure. Die 50 Gramm Restzucker packt dieser Wein sehr gut weg, scheint sie fast zu brauchen, weil da auch
ein Pfund Säure und jede Menge Extrakt mit im Spiel sind. Für seine Fülle wirkt er erstaunlich elegant. Und
wunderbar lang ist er sowieso, mit prachtvollen Nuss/Rosinen-Tönen im Abgang. Ein Gedicht! 91 von 100
Willipunkten.
Der 2008er Huebuhl, der als nächstes an die Reihe kam, war dann fast wieder ein reinsortiger Tropfen, immerhin
95 Prozent Pinot Gris sind in der Flasche, dazu etwas Weißburgunder und ein Spürchen weißgepresster Pinot
Noir. Der Huebuhl, so wurde uns erläutert, sei eigentlich keine Lage, dafür seien Böden und Expositionen zu
heterogen, die eigene Lagenbezeichnung rechtfertige sich eher durch das einheitliche Mikroklima, das in einer
besonders geschützen Mulde außergewöhnlich hohe Temperaturen verzeichne. Der 2008er habe ordentlich
Botrytis abbekommen, was ihm immerhin 65 Gramm Restzucker eingebracht habe. Ja, die lässt sich tatsächlich
ohne weiteres herausschnuppern, die Botrytis. Leider hat sie auch ein sauterneskes Lösungmitteltönchen im
Gepäck. Aber ich will nicht meckern, das ist nur eine Fußnote, die sich mit Luft auch schnell verflüchtigt.
Ansonsten wirkt die Nase außerordentlich kräftig und voll. Am Gaumen dominieren zwei Elemente, die Botrytis
und das Aromenspektrum des Grauburgunders, der hier eine leicht eingelegte/getrocknete Orange in den
Vordergrund schiebt. Was ein Pfund Wein, das ist richtig kräftig, schön dicht, tiefgründig. Süße und Säure sind
perfekt balanciert, die Botrytis stiehlt dem Rest des Weines nicht die Schau, das bleibt sehr lang und dabei
ungemein voll. Toller Wein! Sage ich als jemand, der kein Mitglied des eingetragenen Vereins der
Grauburgunderfreunde ist. 93 von 100 Willipunkten.
Den Mambourg 2009 übergehe ich hier lieber, der wird in neue Barriques gefüllt und schmeckt und riecht einfach
nur nach zuviel Holz. Wenn schon Holz, dann bitte besser dosieren. So ist's ein Weinfehler.
Also weiter zum 2009er Schoenenbourg. Der mir schon deswegen sehr entgegenkommt, weil er zu 95 Prozent
aus der einzig wahren weißen Rebsorte besteht, dem Riesling! Botrytis hat auch an Bord, vor allem in der Nase,
da ist das ein ganzer Bienenstock voll Honig, dazu mandelige Noten und ein Korb Dörrobst. Ja, ich will es nicht
verheimlichen, auch hier habe ich das sauterneske Haucherl Lösungsmittel gefunden, aber nur weil ich danach
gesucht habe. Und dann verlor es sich auch gleich wieder, mit Luft geht das weg. Und am Gaumen, Überraschung,
da spielt die Botrytis gar keine so große Rolle, da zeigt sich der Schoenenbourg richtig elegant, eher floral, mit
Lindenblüten, auch etwas studentenfuttriger Nuss. Das Ganze fein, verspielt, wunderbar balanciert. Man könnte
ihn ohne Weiteres für leichter halten als er ist, aber am langen und tiefgründigen Abgang spätestens wird jeder
merken, was für ein wuchtiger Wein das in Wahrheit ist. Riesenpotenzial, wenngleich man ja bei Botrytis nie so
genau weiß, wohin sich das entwickelt. Insofern würde und werde ich bald mal drangehen. Denn der wanderte
natürlich in den Kofferraum, mitsamt seinen 93+ von 100 Willipunkten. 59 Euro die Flasche, nicht geschenkt, aber
auch nicht überteuert.
Wieder aus 2008 dann der Altenberg Grand Cru. Den dominiert rechnerisch der Pinot Noir, der rund die Hälfte
der complantation umfasst, dazu gesellen sich zu etwa gleichen Teilen Riesling und Gewürztraminer. Kalksteiniger
Boden, beste Südexposition, dennoch war der Altenberg bis 2004 kein Grand Cru, auch weil man vom Großen
Gewächs erwartet, dass dort kein Mischsatz draufgestellt wird, sonst wäre es technisch ein Edelzwicker Grand Cru
und das geht ja nun wirklich nicht. Erst 2004 hatte man dann mit Blick auf die hohe Qualität dieses Weines ein
Einsehen und erlaubte die Bezeichnung als Großes Gewächs. Dass dieser Altenberg nur ein Viertel
Gewürztraminer beinhaltet, na, ich wäre nicht darauf gekommen. Die Nase besteht eigentlich nur aus Traminer
und Botrytis - und von beidem nicht zu knapp. Wie mit einer Keule prügelt sie auf den Riechkolben ein, am
späteren Nachmittag hat mich dann doch glatt einer gefragt, ob ich Boxen war. Am Gaumen wieder anders, feine
grapefruitige Frucht, sehr elegant, gar nicht so breit, wie die Nase es hätte vermuten lassen. Die Botrytis eher im
Hintergrund. Obwohl, das ist dann auch wieder untertrieben, die steht schon in der Mitte des Geschehens, haut
aber nicht alles andere nieder wie in der Nase. Tolle Fülle, die erst zum Abgang hin ein klein wenig auslässt“, wie
der Österreicher sagen würde, für den solche Weine aber sowieso zu schade sind. Unglaublicher Charme, wenn
auch mit 59 Euro kein Schnäppchen mehr. 92 von 100 Willipunkten.
Nur einen Punkt weniger bekam der abschließende Altenberg Riesling aus 2002. Sehr gereifte, schon ein wenig
angefirnte Nase, weniger Botrytis, auch nicht so tramineresk, auf die Dauer setzt sich dann wohl doch der Riesling
durch. Am Gaumen schöne Reife, nicht so firnig, viel Apfel, noch ordentlich Spiel, doch schon eine Spur über den
Höhepunkt hinweg. Gute Länge und auch im Abgang noch fein und verspielt. 91 von 100 Willipunkten.
Insgesamt ein, Du, Mensch, wieheißtet, überzeugendes Sortiment, das der weltweit wahrscheinlich beste Advokat
für gemischte Sätze sein dürfte. Die besten waren fast so gut wie hochklassige pure Rieslinge und das will was
heißen, wieheißtet!