Weh-Weh-Weh
Willis Wein Werkstatt
La Devèze, Côtes du Roussillon Villages 2007
Verkostet im Juni 2011
“Bordeaux, Bordeaux, es muss ja gar nicht immer Bordeaux sein, es gibt inzwischen auch in anderen Anbaugebieten für
deutlich weniger Geld ganz feine Weine!“ Sprach Alfred Biolek in seiner Trinksportsendung Alfredissimo und öffnete
ganz bescheiden einen Vega Sicilia Unico. Den trank er dann in großen Schlucken, während alibimäßig so getan wurde,
als würde nebenher gekocht. Tja und den Unico, den gibt es ja unter Brüdern je nach Jahrgang auch schon für 200 bis
800 Euro die Flasche. Da braucht man die teuren Bordeaux wirklich nicht mehr. Ich möchte auch eine Kochsendung, die
mir meinen Alkoholismus auf gehobenem Niveau finanziert!
Und bis ich die habe, muss ich wirklich nach Alternativen zum Bordeaux suchen. Weil sich die Preise für die Premiers
Crus in den letzten fünfzehn Jahren ungefähr verzehnfacht haben, die der Superseconds versechsfacht und die der
anderen Grands Crus etwa vervierfacht. Das reduziert den Bordeauxkonsum ganz automatisch, nicht aber den
Weindurst. Burgund ist natürlich keine echte Alternative, die sind preislich noch abgehobener als die Bordelaiser und
qualitativ bei weitem nicht so geschlossen auf hohem Niveau. An die Rhône auszuweichen bringt wenig, die ist in der
Spitze auch schon weit im dreistelligen Eurobereich gelandet. Und die Loire liefert feine Rote aus der Eleganzabteilung,
aber nur sehr wenige davon haben annähernd die Kraft ihrer Cabernetbrüder aus dem Medoc. Bleiben Languedoc und
Roussillon, vielfach als Paradies der Schnäppchenjäger gepriesen und meinem Eindruck nach inzwischen einer der
Hauptlieferanten der vermeintlichen Entdeckungen“ von Jacques Weindeponie.
Wenn es doch nur so einfach wäre, wie der Weinjakob es in seinen Postings gerne darstellt. Da klingt das immer so, als
müsse man im sonnigen Süden nur den Korken der frisch ausgetrunkenen Flasche mit Schwung über die Schulter
werfen und schon hat man das nächste Spitzengut gefunden, das seine Weine geradezu herschenkt. Nee, nee, nee, so
ist es dann auch wieder nicht. Zwar gibt es zwischen Nîmes und Perpignan noch echte Preis-Leistungs-Schlager, aber
die sind auch dort selten und es dauert meist nicht lang, bis die Preise dieser Weine sich zum nächstgelegenen
Flughafen begeben und abheben.
Also muss man auch im Süden auf die Pirsch, vieles probieren, sich Tipps von Freunden holen und ein wenig in der
Fachliteratur schmökern, um die heißesten Newcomer zu finden. Die Revue des Vins de France ist da gar nicht so
schlecht. Oder man geht ins Sternelokal seines Vertrauens und leiert dem Sommelier ein paar Empfehlungen aus dem
Kreuz. Auf diesen unterschiedlichen Kanälen bin ich zum Beispiel an das Weingut Haut-Gleon gekommen, dessen
Basisroter in der Gewichtsklasse von 12 bis 13 Euro ziemlich zielsicher jeder Kontrahenten auf die Bretter schickt. Oder
an den Puech-Haut, dessen zwei rote Cuvees in der Preisklasse bis 20 bzw. 25 Euro ihre Akzente setzen. Wer noch
einen Fünfer oder Zehner drauflegt, kriegt von Gardies Schwergewichte geliefert, die mit sagenhafter Kraft einen
brachialen Akkord von Mineralik, Frucht und Würze setzen. Das alles sind natürlich vom Charakter keine Bordeaux, nicht
annähernd könnte man sie mit solchen verwechseln. Aber es sind Weine, die mir in der jeweiligen Preisklasse meist
deutlich mehr Freude machen als ihre Konkurrenten aus dem Bordelais.
In diese Abteilung gehört auch der 2007er Côtes du Roussillon La Devèze“ von Mas de la Devèze. So etwa 20 Euro
muss man für diesen Prachtwein hinblättern, der bei einer Südfrankreichprobe meines Weinzirkels die meisten
Konkurrenten in den Schatten stellte. Grund genug, ihn noch einmal in Ruhe nachzuprobieren:
In der Nase schokoladig, auch sehr kirschig mit ganz leicht pflaumigem Subtext. Sehr schön reif und entwickelt, macht
unweigerlich Lust, sofort den Gaumen anzufeuchten. Gemach, Gemach, erst noch einmal schnuppern. Denn da findet
sich schon nach ganz kurzer Belüftung auch ein leichter kräutriger Einschlag, gerösteter Rosmarin. Den hätte man
doch nicht verpassen wollen. Und ein kühl-mineralischer Ton, der sich im Languedoc-Roussillon eher selten findet
(vielleicht am ehesten noch bei Gauby) und der den Wein sehr interessant macht.
Am Gaumen wieder sehr viel kirschige Frucht, vollreif, saftig, dazu sehr edle, bittere Schokolade, Valrhona mit 66 Prozent
Kakaoanteil kommt mir spontan in den Sinn, lange Zeit eine meiner Lieblingsschokoladen, bis ich die Maison du
Chocolat in Paris entdeckte. Der Alkohol von 14,5 Prozent ist wunderbar eingebunden, allenfalls lässt er die Schokolade
ganz leicht marzipanig wirken. Die Mineralität spielt am Gaumen nur hinten heraus eine größere Rolle. Dort verleiht sie
dem Wein eine tolle Vielschichtigkeit und etwas mehr Eleganz als er aus Frucht und Schokolade allein gewinnen
könnte. Lang und druckvoll ist er sowieso, sehr harmonisch, weich, mit einer ganz leichten, pikant-rosmarinöligen
Würze. Einfach ein feiner Tropfen, wenn er auch knapp daran vorbeischrammt, ein ganz Großer zu sein, die Neun vor
dem Komma kriegt er nicht, dafür fehlt ein wenig die Komplexität. Aber 89 von 100 Willipunkten muss er kriegen.
Erinnert an einen guten Châteauneuf du Pape. Wie gesagt, für einen französichen Roten ist das ein prima Preis-
Leistungs-Verhältnis! Obwohl man natürlich stattdessen auch einen simplen Dominus aus Kalifornien oder einen kleinen
Sassicaia aus der Toskana kaufen kann. Es muss ja nicht immer das Zeug aus Südfrankreich sein. Jedenfalls wenn man
eine Kochsendung hat...
Heute auf der Hebebühne: La Devèze, Côtes du Roussillon Villages 2007, Mas de la Devèze