Weh-Weh-Weh
Willis Hausbesuche
Van Volxem
Es ist Wahlkampf! Nur wenige Tage noch, dann steht die große Entscheidung an. Wer wird gewinnen? In
aufgeregten Wahlsendungen wird berichtet, Redeschlachten, Duelle, Posts im Internet, es geht fast schon in den
Overkill. Wer am Ende ganz vorne stehen wird, wir wissen es noch nicht. Der Kampf um den Titel der deutschen
Weinkönigin 2013 ist völlig offen.
Werfen wir einen Blick auf die Wahlprogramme der Kandidatinnen, Willi Igels kleiner Wahlomat, ein Sonderservice
für den geneigten Leser: Die Kandidatin aus Baden will eine Maut für Monorails in Steillagen, die von der Saale
hätte gerne die Sektsteuer erhöht, um Weine aus benachteiligten Gesteinsschichten gezielter fördern zu können.
Die Rheinhessin wirbt mit einer Kampagne zur Terroirismusbekämpfung, die von der Bergstraße fordert die völlig
Gleichstellung von Grau- und Weißburgundern. Die AfD (Ahrkönigin für Deutschland) verlangt den Ausstieg aus
der Europalette im Weinversand, für die Mosel fordert Silvaner Koch-Mehrin die Anerkennung des Bernkasteler
Doktortitels. Die Pfälzerin will nicht nur Kopftücher, sondern auch Tresterhüte verbieten, die Rheingauerin der
Hallgartener Juffer das Betreuungsgeld streichen. Die Württembergerin ist für den Wiedereinstieg in die
Traubenkernenergie, die von der Nahe möchte Traubenkernölheizungen verbieten. Die vom Mittelrhein will die
volle Anerkennung von Reberziehungszeiten in der Rentenversicherung, die Sächsin postuliert ein
bedingungsloses Grundweinkommen, was wiederum die eher konservativ ausgerichtete Fränkin dazu veranlasst,
der Sächsin das Nordheimer Vögelein zu zeigen. Wer da auf Augenhöhe mitdiskutieren will, muss sich erst ein
Erdloch graben.
Das Ganze wird auch 2013 leider schon wieder nicht von Stefan Raab moderiert, sondern wahrscheinlich erneut
von einem dieser dauergrinsenden inkompetenten Ohrfeigengesichter, die sich der SWR in unterirdischen
Fabriken dutzendweise aus Überresten von Hans Meiser und Johannes B. Kerner zusammenklont - wobei
Vinophile ja längst wissen, dass mit Kerner nix anzufangen ist. Der Leidtragende ist wie immer der
Gebührenzahler.
Nein, nein, und nochmals nein, wenn schon Blondinen mit langen Beinen und langen Haaren, dann bin ich für
Roman Niewodniczanski, der hat auch oenologisch deutlich mehr drauf. Ich habe mir mal erlaubt, im Rahmen
eines meiner beliebten Hausbesuche seinen aktuellen Jahrgang zu verkosten. In der Bloggerberichterstattung
von der Verkostung der Großen Gewächse des VDP überschlugen sich die Kommentare ja geradezu vor Euphorie
- nur kniend könne man die Weine in diesem Jahr verkosten, das sei eine Liga für sich. Na mal sehen...
Diskussion auf Augenhöhe - Willi Igel und Roman Niewodniczanski
Der Weißburgunder 2012 ist jedenfalls schon einmal ein prima Auftakt, fein, erstaunlich opulent und fruchtbetont,
so kennt man die Rebsorte kaum. Und natürlich schafft Van Volxem es, da sogar noch eine Messerspitze Schiefer
mit hineinzutragen. Für 11,90 Euro ein ziemlicher Preis-Leistungs-Knüller, 85 von 100 Willipunkten.
Einer meiner Liebling dann direkt mit der Startnummer 2, der Schiefer Riesling 2012. Hei, das hat einen Charme,
wunderbar. Cremiges Mundgefühl, schöne Frucht, kühle schiefrige Mineralik im Hintergrund, hervorragend
balanciert und für den vermeintlich kleinsten Riesling des Hauses schon mit sehr ordentlich Tiefgang und Druck
am Gaumen unterwegs. So einer dieser Weine, die nicht nur dem Gelegenheitstrinker schmecken, sondern auch
dem Weinfreak ein anerkennendes Grinsen entlocken. Das nur noch breiter wird, wenn er hört, dass es das Zeug
noch knapp unter der Zweistelligkeitsgrenze zu kaufen gibt, Neunkommaacht Euro, das ist ein must buy! 87 von
100 Willipunkten.
Der Saar Riesling 2012, eigentlich knapp über dem Schiefer Riesling angesiedelt, hat mir nicht ganz so gut gefallen.
Klar, eine kräftige Frucht und das schöne Saar-Terroir mit seinen schiefrigen Noten hat der auch im Gepäck, er
wirkt aber nicht ganz so rund und balanciert, etwas nervöser und ganz leicht phenolisch. Deswegen von mir nur
84 von 100 Willipunkten.
Deutlich harmonischer dann wieder der Wiltinger Braunfels 2012. Auch hier diese faszinierende Cremigkeit im
Mund, der streichelt fast die Papillen, etwas kreidiger vielleicht, das wirkt in der Mineralität nicht ganz so schiefrig.
Wunderbar voll, was für ein Pfund von einem Wein, mit schöner gelber Frucht. War schon ganz am Anfang einer
meiner Favoriten, als Roman Niewodniczanski das Gut übernommen hatte und mit den Jahrgängen 2000 und
2001 Furore machte. 2012 bin ich wieder hingerissen wie einst im Mai, 87 von 100 Willipunkten, 13,50 Euro ab
Werk.
Der letzte der "Gutsweine" setzte noch einmal einen drauf, der Riesling "alte Reben" aus 2012. Noch kräftiger,
noch etwas tiefgründiger, von der Komplexität her kratzt das schon an der Tür der GG-Abteilung. Die Frucht ist
derzeit noch etwas im Hintergrund, die Mineralität dominiert, insgesamt gibt sich der Wein noch ziemlich
verschlossen. Aber da mache ich mir keine Sorgen, das wirkt rund und harmonisch, sollte sich sehr gut entwickeln
und müsste eigentlich auch in jeden Keller. 88 von 100 Willipunkten, erhältlich für 15,90 Euro.
Nun ging es weiter in die Welt der Rieslinge aus Großen Lagen, der Goldberg 2012 machte den Auftakt. Kühle
Stilistik, recht kräutrig in der Nase und im Anklang, duftig, viel Frucht in der Mitte und im Abgang. Schöne
Komplexität, allerdings auch mit einem leichten Bitterl unterwegs. Deswegen von mir - gegen den Mainstream -
hier nur 88 von 100 Willipunkten, ich bin bei Bitternoten ein wenig empfindlich. Ist vielleicht eine Frage des
persönlichen Geschmacks, um mich herum hörte ich bei den Mitverkostern viel Lob für diesen Wein, die meisten
sahen ihn besser als ich.
Beim Scharzhofberger 2012 waren wir uns dann wieder einig. Das hat das Gut in diesem Jahr eine ganz neue
Dimension eröffnet. Noch nie habe ich diesen Wein so mineralisch erlebt, so sparsam in der Frucht. Fast ruppig
wird der Schiefer hier, unglaublich tiefgründig, ewig lang und fast schon krawallig im Abgang. Das braucht richtig
viel Zeit, da würde ich frühestens in fünf Jahren drangehen. Dann aber sollte es sehr groß werden können.
Schwer, das heute in Punkten auszudrücken, ich zücke mal 91 von 100 Willipunkten und male ein dickes Plus
dahinter, das kann mühelos noch ein, zwei Punkte zulegen.
Auf ähnlichem Niveau zeigte sich der Volz 2012. Etwas andere Stilistik, fruchtbetonter, eher cremig und elegant als
ruppig und brachial, allerdings ebenfalls noch sehr verschlossen. Auch dies ein Wein von großer Tiefe und
Komplexität, mit einer erst anklingenden Mineralik, die sicher noch deutlich kräftiger werden wird. Bekommt
ebenfalls 91 von 100 Willipunkten und natürlich auch das dicke Plus fürs Potenzial.
Als nächstes gab es noch einmal Scharzhofberger, den Pergentsknopp 2012. Eindeutig der große Bruder des
ersten Scharzhofbergers der Verkostung. Der sehr große Bruder, möcht eich präzisieren. Denn der - P - bringt
ebenfalls diese gewalttätige Mineralik mit, etwas herb, etwas düster, mit einem leicht salzigen Einschlag. Aber noch
eine dicke Dimension größer, tiefer, intensiver als der kleine Bruder. Hier erreichen wir die Abteilung des
Monumentalen. Mann, was wird der Zeit brauchen! Aber ich müsste mich schwer täuschen, wenns nicht in zehn
Jahren der stärkste Weine dieser 2012er-Kollektion wäre. 96 von 100 Willipunkten, auch hier mache ich noch ein
Plus dahinter, das Potenzial ist unglaublich.
Das kann man eigentlich nicht mehr toppen, und dennoch war der Altenberg 2012, der als nächstes zur
Verkostung anstand, auf den ersten Reinschmecker sogar noch besser. Weil der halt heute schon so herrlich
offen ist, einem Aprikosen und Pfirsiche an den Gaumen haut wie eine Dreschmachine. Ist das voll und saftig!!! So
einer dieser Weine, wo die Flasche schon leer ist, bevor man richtig angefangen hat, ihn zu trinken. Unglaublich
komplex und lang, toller Trinkfluss und höchster Spaßfaktor. Heute sicher zugänglicher und leichtgängiger als der
Pergentsknopp, aber nicht ganz so monumental und überwältigend wie dieser. Deswegen "nur" 95 von 100
Willipunkten.
Den Schlusspunkt setzte schließlich der Gottesfuß 2012, ein wunderbar voller, opulenter Wein, der eine tolle
Balance von Frucht und Mineralität an den Gaumen bringt - und das in einer unglaublichen Intensität.
Faszinierende Länge und Dichte. Warum er bei mir trotzdem schlechter abschneidet als die beiden Vorgänger?
Vielleicht weil diese noch mehr Charakter noch mehr Individualität mitbringen. Auch das sicher wieder eine
Geschmacksache, viele Verkoster haben den Gottesfuß auf gleicher Höhe mit dem Altenberg gesehen, für mich
liegt er bei respektablen 92 von 100 Willipunkten.
Insgesamt tatsächlich eine beeindruckende Kollektion aus einem natürlich auch sehr guten Jahrgang.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Reifungsfähigkeit. In den Bloggs wurde gelegentlich geschrieben, dieser
Jahrgang werde "wahrscheinlich", "sicherlich", "hoffentlich", "definitiv" besser reifen können als die Weine aus den
ersten Van Volxem-Jahren unter Roman Niewodniczanski. Das finde ich ja hochinteressant. Bei einer kleinen
Weinprobe vor einigen Tagen habe ich mal die Wiltinger Kupp aus den Jahren 2001 und 2002 aufgezogen.
Damals bei Van Volxem noch unter diesem Lagennamen abgefüllt und bei mir recht lange im Keller liegen
geblieben, auch weil ich damals diesem Wein mehr Lagerungspotenzial zubilligte als den Scharzhofbergern und
Gottesfüßen, die schon vor drei, vier Jahren den Weg aller Dinge, also in den Igelmagen gegangen sind. Und
diese beiden Kuppen waren nicht nur voll auf der Höhe, sie haben mir besser gefallen als je zuvor. So dass es mir
jetzt sehr Leid tut, dass ich die Scharzhofberger schon ausgetrunken habe. Reifen konnten die jedenfalls damals
auch schon, Ihr ahnungslosen Blogger! Wer so einen Unsinn zusammenschreibt, schaut auch die Wahl der
deutschen Weinkönigin. Oder sitzt schlimmstenfalls sogar in der Jury.