Weh-Weh-Weh
Willis Wein Werkstatt
Heymann-Löwenstein
Riesling Schieferterrassen alte Reben 2007
Verkostet im Juni 2011
So drei bis sechs Erdzeitalter dürfte es her sein, dass der Schiefer an den Steillagen der Mosel zuletzt flüssig gewesen
ist. Damals hieß er noch Sediment und lungerte in den kochend heißen Meeren herum, die die Gegend
überschwemmten. Faul, wie so ein Sediment nun einmal ist, war mit Schwimmen schnell Schicht. Und zur Schicht wurde
damit auch das Sediment, das sich am Meeresboden so breit zur Ruhe setzte wie ein griechischer Beamter bei Erreichen
des 50. Lebensjahrs. Erstmal noch nicht als Stein, sondern als Schlamm. Der durch den Wasserdruck langsam etwas
dichter und härter wurde. Dann trockneten die Meere aus, der Planet wurde fester und mit der Temperatur der Erdkruste
ging es wie mit der Stimmung auf einer FDP-Wahlparty nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnung sie kühlte mächtig
ab. Der Schlamm wurde noch härter und nahm den Künstlernamen Schiefer an.
Neuere Forschungen haben gezeigt, dass man den Schiefer wieder verflüssigen kann. Reinhard Löwenstein hat dazu
ein wissenschaftliches Verfahren entwickelt. Dieses ist allerdings sehr aufwändig! Man muss die Schieferböden mit
Weinstöcken der Sorte Riesling bepflanzen, diese Reben eifrig hegen und pflegen und die Trauben streng auslesen.
Sind die Trauben reif, werden sie gepresst und man lässt den Saft leicht gären. Nach etwa einem Jahr erhält man eine
Substanz, die unter Liebhabern glatt als Schieferelixier durchgeht.
Reinhard Löwenstein nennt das Ganze Schieferterrassen“ und in besonders hartnäckigen Fällen Schieferterrassen alte
Reben“. Beide Weine sind der Inbegriff des Schieferrieslings. Terrassenmosel in Bestform! Vom Restzucker her liegen sie
im Bereich oberes trocken bis unteres halbtrocken. Es gibt auch noch edelsüße Varianten davon, die lasse ich heute
aber mal außen vor und nehme mir lieber die alten Reben aus 2007 vor. Wobei, ich hätte auch so ziemlich jeden anderen
Jahrgang nehmen können. Denn, als gäbe es keine Jahrgangsschwankungen, die Schieferterrassen gelingen bei den
Löwensteins in jedem Jahr sehr zuverlässig. Sie fallen mal etwas restsüßer aus, mal etwas trockener. In den alten Reben
darf auch mal ein dicker Schuss Botrytis aufmarschieren. In Jahren wie 2006 zum Beispiel. Da war das Mostgewicht aber
auch auf Beerenauslesenniveau. Irgendwie ist sogar in diesem problematischen Jahr die Gratwanderung gelungen, die
gute“ Botrytis mit in den Wein zu nehmen und die saure Fäule wirklich komplett auszulesen.
Aber zurück zum 2007er Schieferterrassen alte Reben. Gewürzprüfer ins Glas, tief durchatmen und schon glänzen die
Äuglein. Denn die Nase zeigt sich derart komplex, wollte man da eine Inventurliste aufmachen, käme man mit einem Blatt
kaum hin. Ganz im Vordergrund findet sich eine Mischung aus einem leicht botrytischen Hauch und einem Ton
wunderbar reifen Rieslings. Noch keine Firne, beileibe nicht, aber das Karamellige der Botrytis wird wunderbar in dieser
pikanten Honigreifenote gespiegelt. Daneben spielt der Schiefer eine eigene kleine Melodie, als säßen zwei am Klavier
und griffen vierhändig in die Tasten. Das Schiefrige ordnet sich dem karamellig-honiglichen Leitmotiv in der Nase
wunderbar unter. Nur die Frucht kommt im Duft hinter alledem ein klein wenig zu kurz, bleibt irgendwie im Hintergrund,
schwer zu definieren, es ist ein Hauch leicht likörigen Pfirsichs wahrzunehmen, daneben auch ein wenig Birne.
Am Gaumen herrlich weich und saftig. Auch hier dieser tolle Karamell, diese feine Reifenote und dazu richtig viel
Schiefer. The artist formerly known as Sediment spricht am Gaumen mindestens genauso laut zu mir wie die Rebsorte.
Schiefermineralik Vorsicht, Vorsicht! Da müsste eigentlich ein Warnhinweis drauf, hohes Suchtpotenzial.
Trotz der kräftigen Mineralität kommt am Gaumen auch die Frucht deutlicher heraus als in der Nase, hier ein wenig
prononcierter auf dem Pfirsich und zudem etwas säurebetonter als es der Duft es hätte ahnen lassen. Das tut dem Wein
gut, die Säure setzt einen sehr schönen Kontrapunkt zum Karamell und zu der gleichfalls sehr prägnanten Fruchtsüße.
Sehr schöne Länge, dabei im Abgang ungemein komplex. Allerdings lässt der Druck dort ein klein wenig nach. Ohne
dass der Wein schwachbrüstig würde, er wird hinten heraus einfach etwas feiner und leiser. Viel Stoff, und das noch
unterhalb der eigentlichen Lagenweine des Gutes, den Röttgens und Uhlens, die da noch satt einen draufsetzen. Dabei
hat der Schieferterrassen noch lange nicht fertig, er dürfte die nächsten drei, vier Jahre noch besser werden und noch
weitere drei, vier Jahre viel Freude machen. Ist mir glatte 91 von 100 Willipunkten wert.
Für den damaligen Preis von etwa 16 Euro ein echtes Schnäppchen. Heute fliegen bei Heymann-Löwenstein die Preise
leider ein wenig über den Markt, um es einmal mit Asterix zu sagen.
Heute auf der Hebebühne: Heymann-Löwenstein, Riesling Schieferterrassen alte Reben 2007