Weh-Weh-Weh
Willis Hausbesuche
Château Palmer (Teil II)
Palmer 1988, 1989 und 1990
Auch den 1990er hatten wir im Programm, der läuft aber ein wenig außer Konkurrenz, denn der kam aus der
Imperiale. Er dürfte aus der Eintel also wesentlich reifer sein als dieses Tanninmonument. Sehr mineralische, vor
allem graffitige Nase, etwas blaubeerige Merlotfrucht, wirkt noch irre jung, fast karamellig, noch viel Fasstannin
und Holztoast, da macht sich die Imperiale bemerkbar. Am Gaumen viel Kraft, ungemeiner Druck, erstaunlich
maskulin, aber doch noch zu verschlossen. Braucht irre viel Zeit im Glas, so viel Zeit habe ich doch gar nicht,
wieviel davon ist der Imperiale und wieviel dem Jahrgang geschuldet? Ich habe mir gleich nach der Probe eine
Eintel gekauft, um das mal wissenschaftlich aufarbeiten zu können. Silvesterprogramm... Biss, Fülle und Tiefe
bringt er jedenfalls mit und eine brachiale Mineralität. Großer Wein! 95 von 100 Willipunkten.
Ein Liebling unserer letzten Proben war stets der 1991er Palmer. Nicht weil er wirklich in der Liga der 82er, 83er
und 90er spielen könnte, sondern weil er aus diesem eher schwachen Jahrgang eine Menge herausgeholt hat.
Das bestätigte sich auch an diesem Abend: Nase sehr leicht, elegant aber herrlich harmonisch. Kaffeenoten,
dezente kirschige Töne, ein echter Margaux. Am Gaumen rund, harmonisch, schöne Balance von Frucht, Süße,
Säure und Mineralität. Was kann man ihm vorwerfen? Dass er nicht ganz so tiefgründig ist, vielleicht? Ja, schon,
aber da ist diese Harmonie, dieser Charme, diese unglaubliche Mineralität. Noch immer wunderbar frisch, so viele
Jahre nach unserer ersten Palmer-Probe, wo wir ihn schon auf dem Höhepunkt wähnten und zum baldigen
Trinken der restlichen Flaschen rieten. Klasse! 93 von 10 Willipunkten, so hoch hatten wir den noch nie!
Zum 1994er Palmer kann man fast das Gleiche sagen wie zum 1991er, für den schwierigen Jahrgang war das
immer eine Riesennummer. An diesem Abend allerdings wirkte die Flasche, der wir zuleibe rückten, erstaunlich
verhalten in der Nase, da tat sich bis zum Schluss nicht wirklich viel. Müde? Oder nur verschlossen? Am Gaumen
im Anklang ebenfalls ein wenig verschlossen, rote Frucht, aber irgendwie unzugänglich. Der muss aus einem
Superkeller sein, dass der noch so jung wirkt, erscheint mir viel verschlossener als die letzte Flasche vor fünf,
sechs Jahren. Da tut man sich mit Punkten sehr schwer, ich habe ihm mal keine Wertung gegeben, weil ich das
Potenzial sehr schlecht einschätzen kann und ihm in der Verfassung vielleicht Unrecht täte.
Palmer 1991, 1994, 1995, 1996 und 2005
So richtig gefreut hatte ich mich auch auf den 1995er, den ich schon ewig nicht mehr im Glas gehabt hatte.
Schöne Nase, mürbe Tannine, großartige Mineralität, sehr viel dunkle Frucht, schöne Reife. Am Gaumen
einerseits noch sehr verschlossen, andererseits aber auch schon recht mürbe, schön weich, die Tannine sind
sehr schmeichelnd. Mit Luft kommt er, das rundet sich, deutet Kraft und Tiefe an. Schöne Länge, viel Extrakt, wird
über die kommenden Jahre sicher noch ungemein zulegen. 94+ von 100 Willipunkten.
Nachdem auch der 1996er korkte, der dritte an diesem Abend, Sackzement!, setzte der 2005er Palmer den
Schlusspunkt unter die Probe. Wunderbar volle Nase, Kraft pur, Druck ohne Ende, elementare Kräfte, aber woher
kommt der, wohin geht der? Das ist einfach nur Superschwergewichtsboxen, das erinnert an den 2009er. Auch
am Gaumen eigentlich kein Palmer, ein Extraktmonster, viel Holz, sehr süß, fast etwas marmeladig. Rene Gabriel
wirft die Frage in den Raum, ob darunter wohl irgendwo ein Palmer liege. Jedenfalls sind das weiche Tannine,
sehr reif und wird das ein exzellenter Wein werden, der allerdings im Moment noch schwer zu bewerten ist und
von dem wir alle nicht wissen, ob er angesichts dieser unglaublichen Kraft jemals die typische palmerische Eleganz
bekommen kann. 96 von 100 Willipunkte gebe ich ihm und male ein kleines Fragezeichen dahinter, weil ich noch
nie einen in der Jugend so dicken Palmer hatte und entsprechend schwer prognostizieren kann, wie der sich
entwickeln wird.
Das Programm des Abends von 1920 bis 2005
Fazit: Palmer besticht mit eleganten, charmanten Weinen. Das bringt es mit sich, dass das Alterungspotenzial
offenkundig etwas geringer ist als z.B. bei Las Cases, Cos dEstournel oder selbst Lascombes und Giscours, um
nur einmal auf unsere letzten großen Vertikalen zu rekurrieren. Nach etwa dreißig bis vierzig Jahren haben die
meisten Palmers ihren Höhepunkt doch merklich überschritten, das war selbst am Beispiel des legendären
1961ers noch recht gut nachzuvollziehen. Dafür ist ein Palmer auf dem Höhepunkt mit das Eleganteste,
Harmonischste und Feinste, was einem im Médoc begegnen kann, auch die kleinen Jahrgänge bestechen immer
wieder mit Finesse und Charme, 1981 und 1991 haben das gezeigt. Faszinierend finde ich, dass Palmer sich ganz
anders verschließt als die meisten anderen großen Médocs. In dieser Phase kann man die Weine schnell
unterschätzen und dann wundert man sich, wenn der eigentlich schon abgeschriebene 1983er oder 1989er
plötzlich wieder so großartig ist. Noch unschlüssig bin ich, was ich vom neune Stil des Hauses halten soll, der
2005 und 2009 zu beobachten war. Eine Konzentration, wie sie selbst die Premiers Crus nicht ohne weiteres
erreichen. Das wird entweder ein ganz neues Margaux-Maßstab, der die Beförderung zum Premier Cru nach sich
zieht, oder es geht schief und führt aus der Palmereleganz in die Rumtopfigkeit. So richtig wird man es erst wissen,
wenn diese Weine einmal zwanzig Jahre auf dem Buckel haben werden. Mir gefällt der Stil, auch wenn es ein
radikaler Bruch mit der Tradition ist und man die Weine wohl kaum als Palmers wird wiedererkennen können. Aber
vielleicht haben sie damit auch das gewonnen, was uns bei den Methusalixen dieser Probe ein wenig fehlte, das
Gerüst für große Langlebigkeit.
Ein schulterklopfender Dank an die Gastgeberin:Elke Drescher und Willi Igel