Weh-Weh-Weh
Willis Wein Werkstatt
1989er Château Maucaillou, Cru Bourgeois, Moulis
Verkostet im November 2011
22 Jahre hat er auf dem Buckel, der Maucaillou aus 1989. Kann man den überhaupt noch trinken, darf man den noch
trinken? Hält sich ein eher kleinerer Bordeaux so lange? Mein Anwalt, Parkers Bobby aus Maryland, hat dazu eine ganz
klare Meinung. In seinem Bordeauxführer von 1993 konstatiert er, der 89er Maucaillou halte sich bis maximal 2001. Ein
eleganter Wein sei das, heißt es in der nächsten Auflage, ein Wein, der das an sich so tanninstrenge Moulis-Terroir
gezähmt habe und eher leicht und saftig daherkomme. Immerhin 87 Punkte sei er wert, sprach Parker, beschlossen und
verkündet ohne Rechtsbehelfsbelehrung!
Kann man einem Juristen einfach so glauben? Unbesehen, auf ein Urteil bauen, das schon vor 18 Jahren gefällt worden
ist. Nein, die Sache muss in die zweite Instanz, mit anderen Worten, der Maucaillou wird dem Weinigel zur neuerlichen
Verhandlung mit anschließender Urteilsverkündung vorgeführt. Und dann wollen wir doch mal sehen, ob wir es hier mit
einem längst verstorbenen Leichtfuß zu tun haben.
Die Nase spricht eine andere Sprache, schöne gereifte Cabernetaromatik, viel Paprika, auch schon ein ganz klein wenig
Tabak und im Hintergrund eine zarte Mineralität. Wirkt im Riechkolben sehr rund, noch höchst lebendig, sehr fein, stark
cabernetdominiert, von Merlotbrombeere ist erst einmal nichts zu riechen. Mit mehr Luft verstärkt sich die reife, rote
Paprika immer mehr, ohne dass die Nase deswegen eindimensional würde.
Auch am Gaumen cabernetig, die rote Paprika dominiert auch hier, leicht verspielt, mit viel schöner Fruchtsüße dahinter.
Auch der tabakige Einschlag findet sich im Hintergrund wieder. Über den Höhepunkt hinaus ist dieser Tropfen weiß Gott
nicht. Vielmehr präsentiert er sich als wunderbar reifer, weicher Bordeaux vom Feinsten. Mit etwas mehr Luft kommen
die mineralischen Töne aus der Nase auch am Gaumen heraus, dazu auch immer mehr Gerüst, Rückgrat und Struktur.
Der feine kleine Wein wird plötzlich zu einem Mittelgewichtsboxer, der sogar noch etwas griffiges Tannin hervorbrechen
lässt. Da ist viel mehr Substanz und Kraft als man es in den ersten fünf Minuten gedacht hätte. Und, siehe da, es stellen
sich nach zehn Minuten Badezeit im Riedelgoldfischglas schließlich doch noch dunkle Früchte ein, Heidelbeere, viel
Pflaume und dann endlich die merlotige Brombeere. Der ganze Cocktail schon ein wenig vom Tabak belagert, doch
bislang ist diese Festung nicht erobert. Denn irgendwie scheint das Tannin erst jetzt richtig weich geworden zu sein der
Wein schwebt so gerade zwischen Aufwachen, Befreiung aus der Tanninumklammerung und ersten Tertiäraromen, den
habe ich wirklich voll auf dem Punkt erwischt.
Gut, sicher, da kommen auch schon leichte Oxidationstöne heraus, aber die sind wirklich nur Statisten in einem immer
volleren, fruchtsaftigen Aromenschauspiel. Ein erstaunlicher Langstreckler, dieser Maucaillou und einer bei dem sich im
Glas den ganzen Abend lang immer wieder noch etwas tut. Am Ende kommt eine feine röstige Würze heraus, die sich im
Abgang leicht pilzig-unterholzig verabschiedet, gut eingebettet in Frucht, Paprika und immer wieder teerig-asphaltige
Elemente. Klasse! Irgendwie kriegt er phasenweise sogar so etwas wie Schmelz und eine richtig tiefe Mineralik. In
diesen Momenten muss man sehr aufpassen, ihn nicht für einen weitaus größeren Wein zu halten.
Fazit: Das erstinstanzliche Urteil wird aufgehoben. Der Casus wird an den Wine Advocate zur neuerlichen Beratung
zurückverwiesen. Der wird sich freuen, wenn da so ein Case 89er Maucaillou aufschlägt. Revidieren wird er sich aber
dennoch müssen. Denn auch wenn das Strafmaß angemessen erscheint- ich komme ebenfalls auf 87 von 100
Willipunkten so ist die dieser Tage volljährig gewordene Urteilsbegründung des Herrn Parker nicht tragfähig und die
Haltbarkeitsprognose grob fehlerhaft.
Im Namen des Volkes
Igel, Amtsrichter, nach Diktatur verreist.
Heute auf der Hebebühne: 1989er Château Maucaillou, Cru Bourgeois, Moulis