Weh-Weh-Weh
Willis Wein Werkstatt
1999er Ornellaia, Bolgheri
Verkostet im Juni 2012
Aufmerksame Beobachter haben mit leicht kritischem Unterton festgestellt, dass in letzter Zeit relativ viele Italiener auf
meine kleine Hebebühne gewuchtet worden sind. Ja, liebe Leute, das kennt man aber doch von den Italienern, das ist
doch bei deren Autos auch so, dass die überdurchschnittlich oft in die Werkstatt müssen. Hier eine Schraube
nachziehen, dort das aufgebrochene Türschloss ersetzen, da das Haargelfach kalfatern, an italienischen Schlitten ist
immer etwas zu tun.
Italienische Produkte sind eben störungsanfällig. Deswegen habe ich im Juni auch eine große internationale Ornellaia-
Rückrufaktion gestartet. Hat nicht wirklich funktioniert. Nur sehr wenige Flaschen sind mir in die Weinwerkstatt
eingeschickt worden. Eigentlich nur dieser 1999er. Ich bin dann gleich in meinen Overall geschlüpft, habe ihn aufgebockt
und die große Inspektion begonnen:
Was für eine schokoladige Nase, viel röstige Kakaobohnen! Dazu kommt jede Menge Kaffee, das ist fast schon ein
Margauxnäschen, und der lebt nach all den Jahren auf den ersten Schnupperer noch immer ein wenig vom Fass und
vom Toasting, ganz erstaunlich. Mit etwas mehr Luft gesellt sich eine geniale Mineralität hinzu, das riecht plötzlich vor
allem schiefrig-teerig. Dazu ein ganz leicht floraler Hauch, so in Richtung Veilchen, das bleibt aber wirklich nur ein
pointillistischer Tupfer im Gesamtkunstwerk.
Am Gaumen schon im Anklang etwas Tabak, schöne Mineralität, noch ziemlich verschlossen. Deutliche, aber sehr
feinkörnige, mürbe Tannine. Ein Hauch angebratener Rosmarin, fast schon Rosmarinöl, auch das sind aber alles nur
Momentaufnahmen, der Wein wandelt sich gerade am Anfang rasend schnell. Nach zwei, drei Minuten drängt sich das
Mineralische mit einer gewissen Brutalität in den Vordergrund. Und hinten heraus nimmt der Druck immer noch weiter zu.
Wahnsinnig dicht, sehr, sehr komplex und tiiiief, mit vier" i". Fast hätte ich sogar ein fünftes mit reingetippt und damit mein
Rechtschreibprogramm in den Selbstmord getrieben. Saftig, auch wenn die Frucht sich erst einmal noch heftig hinter
dem Tannin versteckt. Schon nach zehn Minuten wird es grandios, weil die Mineralität die Frucht nun endlich ins
Rampenlicht lässt. Und dann wird es sofort sehr schnell richtig rund.Betörende Fruchtsüße, die perfekt eingebunden ist
in das Gerüst von Mineralität, Würze und typisch italienischer Säure. Pflaumig, schwarzkirschig, herrlich. Und: Man
glaubt es kaum, der legt auch nach zwei Stunden noch immer zu, und zu, und zu...
95 von 100 Willipunkten. Inspektion ohne Beanstandung überstanden. Die Flasche kann bedenkenlos mit Chianti
Classico wieder aufgefüllt und an den Einsender zurückgeschickt werden. Alle anderen Ornellaia-Inhaber, bitte unbedingt
die noch in Euren Kellern verbliebenen Flaschen an Willis Weinwerkstatt schicken, die Rückrufaktion läuft weiter!
Heute auf der Hebebühne: 1999er Ornellaia, Bolgheri