Weh-Weh-Weh
Willis Wein Werkstatt
Dönnhoff Oberhäuser Brücke Riesling Auslese Goldkapsel 2007
Dönnhoff Niederhäuser Hermannshöhle Riesling Spätlese 2007
Nachruf auf Captain Cork
Der Captain verlässt den Korkdampfer, die Nachricht schlägt ein wie der Enterhaken eines Prisenkommandos in
der Steuerbordreling. Kreydenweisse Gesichter in Medien- wie Seefahrerkreisen. Der Captain? Der Mann, der
Cheval Blanc zum Seepferdchen gemacht hatte? Der im Alleingang fast die gesamte Weinszene des Elsass auf
seinem Stocherkahn den Trimbach hinunter geschrieben hat? Er kann nicht von Bord, das wäre ja als wechselte
ein Kanzleramtsminister auf einen schimmligen Versorgungsposten bei der vom Captain besonders geliebten Bahn
AG. Doch das Gerücht verdichtet sich schnell zur Gewissheit. Es stimmt, der Alte rollt das Segel ein wie einst die
Handelsschiffe bei Château Beychewilli auf der Gironde.
Doch die Gründe bleiben im Dunklen. Hat Stylemaat Küblbeck eine Meuterei der Mannschaft angezettelt, weil er
die la Tache-Flecken auf der abgetragenen Uniform des Alten nicht mehr sehen konnte? Oder hat gar das
Schifffahrtsamt dem Alten das Kapitänspatent entzogen, nur weil er beim letzten Anlegemanöver am Kai der
Cordobar ein Dellchen in den massivgoldenen Rumpf der Costa Concorkia gefahren hatte? Oder stimmt das
Gerücht, dass der Captain selbst hinschmeißt, um eine neue Stelle als Admiral der Bateau Mouche-Flotte in Paris
anzunehmen. Nicht ahnend, dass es auf den Touristenkuttern ungeachtet ihres Namens keinen Clos des
Mouches fürs Bordpersonal gibt. Vielleicht war eine weitere Verspätung der Bundesbahn das Goldtröpfchen, das
das Fass zum Überlaufen brachte? Geht der Alte gar aufs Altenteil, ins Austraghäusl, wahrscheinlich auf dem
rheinhessi-schen Seehof? Man weiß es nicht, noch nicht. Doch neigt der Alte nicht zur Schweigsamkeit, wir
werden es also erfahren, wenn er den nächsten Karriereschritt auf dem Weg zur Weltherrschaft tut.
Anbieten könnte man ihm zum Beispiel einen Posten als Konteradmiral auf der Oberhäuser Brücke. Dort dürfte er
von morgens bis abends in der Offiziersmesse sitzen und die Rieslingauslesen des Hauses Dönnhoff genießen.
Für den Captain, dessen Uniform zwischen den La Tache-Flecken vor Litzen, Streifen und Orden nur so strahlt
und prunkt, müsste es schon aus farbstylischen Gründen eine Flasche mit Goldkapsel sein. Das hat die Modewo-
che Berlin so entschieden, da gibt es keine Widerworte. Locken könnte man ihn zum Beispiel mit dem Jahrgang
2007, kein Arschjahr, der wird ihm genehm sein.
Ich habe schon mal vorgekostet: Kräftiger Honig in der Nase, dazu Karamell, etwas botrytische Quitte, eine Spur
Aprikose, dazu auch ein paar tabakige Noten. Am Gaumen dicht, fast zähflüssig, die Botrytis lässt ihn weitaus
weniger trinkig wirken als Dönnhoffs Hermannshöhlenspätlese aus gleichem Jahr, die die Mannschaftsgrade im
Ausguckskorb trinken. Das ist der Botrytis geschuldet, die dem Wein nach gut sechs Jahren mit quittigen, rosini-
gen und haselnussigen Noten fest im Griff hat. Dazu gibt es sehr konzentrierte Aromen von getrockneten Apri-
kosen, etwas Tabak und eine Spur Brioche. Zähflüssig, fast schnittfest, man sollte ein Entermesser dabei haben,
wenn man ihn aus der Karaffe in die Gläser bringen will. Das ist kein Saft mehr, das ist Extrakt pur. Dicht ge-
woben, enormer Tiefgang, wunderbar lang, der dreht im Abgang noch eine und noch eine und noch eine Runde.
Das hört gar nicht mehr auf. Das große Wunder besteht darin, dass der Wein trotz der massiven Süße, trotz sei-
ner Beerenauslesenstilistik nie breit, nie pappig wirkt, sondern sich eine fast perfekte Eleganz bewahrt. Noch
ausgesprochen jung, das kann und sollte noch zwanzig Jahre in Würde reifen. 95 von 100 Willipunkten.
Da ich auf dem Corkdampfer ja nicht als Offizier, sondern nur als Klabautermann arbeite - und selbst das nur in
Teilzeit - gehöre ich zu den Mannschaftsgraden, die sich derweil im Ausguck Dönnhoffs 2007er Spätlese aus der
Hermannshöhle hinter die Augenklappe kippen. Pikanter Duft, Dörraprikosen, Blütenhonig, leicht buttrig,
waldmeistrige Kräuternoten, insgesamt viel Charme in der Nase. Am Gaumen viel Honig, konfitierte und ge-
trocknete Aprikosen, Quitten, frisch und opulent, zugleich aber auch schon mit einem allerersten kleinen Tanz-
schritt in Richtung beginnender Firne unterwegs. Viel Saft, die grandiose Harmonie zwischen Süße, Säure und
mineralischer Würze führt zusammen mit dem animierenden Kräuterton und dem leichten Firneakzent zu einer so
großartigen Balance und Fülle, dass die Flasche schneller leer ist als Uderzos Gallier ein Piratenschiff versen-ken
können. Die Mannschaftsgrade hängen schon am späten Nachmittag schieläugig in den Enternetzen herum, die
leeren Flaschen kullern durch den Laderaum. Dass man Honig auch bei Celsiusgraden unterhalb der Zim-
mertemperatur so verflüssigen kann! Im Abgang zunächst noch etwas harmlos, doch mit mehr Luft gibt sich das im
Igelpfotenumdrehen. Der Honig wird einen Hauch karamellig, da dürfte ein wenig Botrytis mit im Spiel sein. Auch
nach der Auslese kann dieser Wein noch immer bestens bestehen. 93 von 100 Willipunkten.
Farewell Captain!
Heute auf der Hebebühne:
Dönnhoff Oberhäuser Brücke Riesling Auslese Goldkapsel 2007
Dönnhoff Niederhäuser Hermannshöhle Riesling Spätlese 2007