Witam
Willi Igel in Polen
Im Studio Selena zum Beispiel, wohl einer Art Literatencafe, werden offenbar im kleinen Kreis
interessante Darbietungen gebracht, wobei das Publikum, ganz im Stile des Aktionstheaters,
einbezogen wird. Zur Zeit läuft wohl das Stück "nimfomanka".
Im Aisha-Club dagegen werden interessante Ausstellungen gezeigt, Aktionskunst sozusagen. Das
Ganze läuft allerdings ekskluzywny, d.h., wie der Name "Club" schon sagt, nur auf
Mitgliedschaftsbasis. Vielleicht deswegen habe ich leider nicht miterleben dürfen, was genau die
Ausstellung "striptize" dem Betrachter an Erkenntnissen bringt.
Ebenfalls sehr interessant: Die polnische Haute Couture. So veranstaltet der "Club 3" an Plac
Konstytucji regelmäßig Modenschauen. Der Schwerpunkt des innovativen Sortiments liegt
offenbar auf Brautmoden und Damen-Unterbekleidung.
Obwohl ich eigentlich keine Zeit hatte, musste ich mich einfach für ein paar Tage nach Polen davonstehlen. Die Europawahl beobachten und mich dem polnischen Kulturgut nähern, dass die stolzen Polen ja mit Zähnen und vor allem
Klauen verteidigen. Selbst einfache Leute können das kaum verhehlen. Viele bezeichnen Polen ja als die Osterinsel der EU. Keine Kunst, bei so viel Ste(h)len. Die Aufnahme von Polen in den europäischen Markt hat dem Land
ungeahnte wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet, allein dass jetzt der zollfreie Reimport von PKW möglich geworden ist wird nach Schätzungen des IWF eine Verbesserung der Außenhandelsbilanz um etliche Prozentpunkte bringen.
Eine spezielle Form von Aufklau/Ost. Aber das nur am Rande.
Gleich bei der Ankunft am Flughafen habe ich mit diebischer Freude feststellen können, dass auch dort in den Duty-Free-Shops die gleiche Präferenzbehandlung gewährt wird wie in Slowenien. So kann man die zwei, drei Stunden, die
es dauert, bis die mit einem halben Dutzend Sicherheitsschlössern versehenen Koffer auf dem Laufband angefahren kommen, noch zu einem kleinen Einkaufsbummel nutzen. Oder man isst eine Kleinigkeit. Eine der polnischen
Spezialitäten. Wie zum Beispiel Pizza. Die hier, anders als in Italien, ohne Tomatensauce hergestellt wird. Dafür gibt es nach dem Aufwärmen in der Mikrowelle noch einen guten Schuss kalte Currysauce oben auf die Esspappe, das
wäre was für den Herrn Popolek in Alfredissimo! Hmmmm, groooooßaaaatich!!! In der Trendsportart Biolecken gibt das die Höchstpunktzahl.
Richtig punkten kann Polen auch im Bereich Kultur. Nicht nur, dass in der Oper ein digitales Laufband den gerade gesungenen Text ausstrahlt, für Gehör- oder Gedankenlose offenbar, die mit verstohlenem Blick dort verfolgen können,
was sie life nicht begreifen. Nein, das polnische Kulturleben glänzt durch seine schillernde Vielzahl von kleineren Events und Aktionen, die, häufig in Privatinitiative, in oft unscheinbarem Rahmen zu bewundern sind. Darauf war ich
bereits vorbereitet, denn ich hatte bei Camus gelesen: "Der sogenannte sozialistische Realismus ist also gerade durch die Logik seines Nihilismus dazu ausersehen, die Vorzüge des Erbauungsromans und der Propagandaliteratur zu
vereinen." Besonders hervorzuheben ist, dass die Ankündigungen einzelner literarischer Events über Handzettel erfolgen, die zu zehntausenden hinter die Scheibenwischer der in Warschau abgestellten Autos geklemmt werden.
Ach ja, eine kurze Meldung noch, die das Bild dann doch deutlich trübt: Sechs polnische Priester aus Rzeszop, unmittelbar an der deutschen Grenze, sollen 40 Autos aus Deutschland gestohlen und illegal in Polen verkauft haben. So
viel kriminelle Energie in einem kulturell so hochstehenden Land, das hätte ich mir nie vorstellen können!