Dobrodosao
Willi Igel in Serbien
Besuch in Serbien im Jahr des Herrn 2006: Seit sechs Jahren ist Milosevic weg vom Fenster. Grund genug, sich das Heimatland von Yugo-Automobilen und Winnetou-Filmen, von Cevapcici und Rasnici, Partisanen, Kriegsverbrechern,
Bata Ilic und Monica Seles einmal aus der Nähe anzusehen. Hier ein Überblick:
Architektur: Der nahtlose Übergang von der Tito-Periode in die Tito-Renaissance-Periode ist geglückt. Wohnplattenbauten aus hässlichem braun-grauem Beton wechseln sich ab mit Geschäftsgebäuden, deren Fassaden auch bei
Neubauten strikt nach der Mode der beginnenden Siebziger mit grün getöntem Glas verkleidet sind. Da etliche Gebäude so ungefähr seit den ausgehenden Siebzigern nicht mehr gereinigt worden sind, ist der grüne Farbton nicht mehr
überall unter den Schmutzkrusten zu erkennen und bedarf es in vielen Fällen einer gewissen architektonisch-archäologischen Vorbildung, um die Originalfarbe noch erforschen zu können. Oder man folgt einfach einer gewissen
Empirik: Da alle Gebäude grün verglast sind, gilt dies auch für diejenigen, die under cover sind.
Frauen: Die Serbin als solche altert sehr schnell und verfettet dabei nicht selten. Unter anderem deswegen hatte Milosevic einst versucht, für das Volk ohne Raum den Kosovo als Frauendeponie zu erschließen. Leider erfolglos. Um
die Serbin überhaupt noch an den Mann bringen zu können, wird diese bereits im Alter von 16 Jahren verheiratet, so dass ihr bis zum Erreichen des Verfallsdatums (siehe Busenprägung) noch rund zwei Jahre zur Zeugung von
Nachwuchs bleiben. Danach versteckt sich die moderne Serbin unter einer Schminkeschicht, die nicht selten Daumendicke erreicht, sowie hinter Sonnenbrillen, zumeist mit grün getönten Gläsern. Mittlerweile wenden sich im übrigen
immer mehr Frauen, nach osteuropäischem Vorbild, dem Dienstleistungssektor im engeren Sinne zu: Zunehmend sind Damen zu beobachten, deren Berufskleidung Netzstrümpfe, Stilettabsätze und eine Kombination aus Tangaslip
und Hose beinhaltet, bei der der Tangaslip möglichst weit nach oben und die Hose möglichst weit nach unten gezogen wird, so dass zwischen Tanga und Jeans, wahrscheinlich als Reaktion auf die vielen Kriege in der Region, ein
Demarkationsstreifen bekleidungstechnischen Niemandslandes entsteht, auf dem sich die obere Hälfte der Arschbacken Freiluftkontakt verschafft. Nicht selten sind diese Damen in Begleitung deutlich älterer ausländischer männlicher
Spontanbekanntschaften anzutreffen.
Ernährung: Wer einmal den Fehler gemacht hat, in einem kroatischen Restaurant ein serbisches Reisfleisch bestellt zu haben, weiß wie die militärischen Auseinandersetzungen an der Adria zustande gekommen sind. Überhaupt ähnelt
die serbisch-montenegrinische Küche einem Krieg, nämlich einem solchen gegen den guten Geschmack. Auf den Tellern Plattenbauten von Grillfleisch, viele Stockwerke hoch. Dazu Sopska-Salat, bestehend aus Tomaten, Schafskäse
und einem konsequenten Verzicht aufs Dressing. Und Wein, der nicht umsonst in der Landessprache Verhunski heißt und natürlich in grüngetöntem Glas auf den Tisch gestellt wird, damit er überhaupt eine Farbe hat.
Industrie: Serbien war bis 1992 traditionell die wirtschaftlich leistungsstärkste Republik des damaligen Jugoslawiens. Wir verdankten der dortigen Industrie neben dem bereits erwähnten Yugo und größeren Positionen grünen Glases
vor allem die Kleider, die die verlockenden Regale der Ketten Kaufhalle und Woolworth füllten. Natürlich hat sich dieser Standard nach den Balkankriegen nicht halten lassen. Die Motorenfabrik von Nis in Südserbien etwa verkauft ihre
Motoren nicht mehr nach Leistungsfähigkeit, sondern nach Gewicht, 40 DM pro Kilo. Ein innovatives Modell, das vielleicht auch einen Ausweg aus dem deutschen Metallerstreik weisen könnte: Einfach auch die Arbeiter nach Gewicht
bezahlen.
Tourismus: Der Serbe ist bekannt dafür, erst zu schießen und dann zu verhandeln. Deswegen werden auch im Interconti und im Hyatt von Belgrad die Gäste bei Betreten der Lobby als erstes nach Pistolen durchsucht. Ansonsten
herrscht, gerade auch in den Hotels an der malerischen montenegrinischen Adriaküste, ein herzlicher und verbindlicher Stil vor. Will man sich mit ein paar Bekannten zum Abendessen zusammensetzen, wird man mit mittlerer
Trappatoni-Wutanfall-Lautstärke angeblafft, es gäbe für jedes Zimmer einen festen Sitzplatz, welcher während der strikten Essenszeiten nicht oder allenfalls zum maximal einmaligen Austreten zu verlassen sei. Die Zimmer geben einen
einmaligen Überblick nicht nur über den designerischen Standard der jugoslawischen Möbelproduktion in den siebziger Jahren, sondern auch über die Entwicklung solcher Möbelstücke im dreißigjährigen Dauerbelastungstest. Die
zumeist in blassen Pastellfarben gehaltenen Freizeiteinrichtungen (Minigolfanlagen, Wassersportgeräte) werden vor allem bei Zoneninsassen herrliche Nostalgieeffekte erzielen und an die gute alte Zeit erinnern.
Politik und Ausblick in die Zukunft: Nach der Auslieferung von Serbenführer Milosevic befindet sich das Land auf Kurs in Richtung EU. Demnächst will Brüssel den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess abschließen. Wichtige
Standards europäischer Nachbarländer hat Serbien bereits erreicht, bei der Korruption ist man auf dem Level Italiens angekommen, die Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik sind bereits auf französischem Niveau angelangt
und die benötigten Subventionen für Bergbau und Landwirtschaft tendieren in Richtung deutscher Standards. Nur in den Bereichen Drogenhandel und Prostitution muss gegenüber den osteuropäischen Konkurrenten noch Boden gut gemacht werden. Willkommen in Europa, liebe
Serben!