Ayubowan
Willi Igel in Sri Lanka
Wie das Leben so spielt, kaum ist man ein paar Tage in Sri Lanka und versucht sich als Vermittler im Friedensprozess zwischen Tamilen und Singhalesen, schon bricht dort der Bürgerkrieg wieder los. Was habe ich nur falsch
gemacht? Hätte ich die Kriegsversehrten nicht fragen sollen, ob ihre Einarmigen denn im Second-Hand-Shop einkauften? Hätte ich nicht im Auftrag von EMNID/Colombo fragen dürfen: "Wenn am nächsten Sonntag Bürgerkrieg wäre,
auf welche Partei würden sie schießen"? Man kann ja so viel falsch machen, wenn man mit fremden Kulturen zu tun hat.
Und in Sri Lanka ist einem vieles fremd. Das beginnt mit dem Straßenverkehr. So kann man definitiv nur fahren, wenn man an die Wiedergeburt glaubt. Da gibt es Busse der Marke Lanka Ashok Leyland, die ganz offensichtlich ebenso
übermotorisiert sind, wie man an den Bremsen gespart hat. Rette sich wer kann, ist die Devise wenn einer heranrauscht, aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit, bis eine der Bürgerkriegsparteien darauf kommt, dass es kaum eine
wirkungsvollere Waffe gäbe als die Lanka Ashok Busse. Ein zweiter gewöhnungsbedürftiger Punkt ist der Präsidentenkult. Überall stehen große Werbetafeln mit dem schmierigen Grinsen des Mahinda Rajapakse in der Landschaft
herum. Das ist nicht nur deswegen problematisch, weil es an den Führerkult anderer großer "Demokraten" wie Castro, Hitler, Hussein erinnert, der Mann sieht zu allem Übel auch noch aus wie eine übergewichtige Knallcharge aus
einer Bollywood-Telenovela. Allein mit dem Fett aus seinen Haaren könnte man ohne weiteres den Ölwechsel eines Zwölfzylinders bestreiten. Erstaunlich genug, dass der gute Mahinda im vergangenen Jahr überhaupt an die Macht
gekommen ist. Seine Amtsvorgängerin wollte sich eigentlich weigern, die turnusmäßigen Wahlen abzuhalten. Sie hatte argumentiert, ihre sechsjährige Amtszeit habe nicht nach der vorausgegangenen Wahl, sondern erst mit der
Ablegung des Amtseids begonnen. Und den Eid habe sie "vor ihrem inneren Forum abgelegt", erst etwa ein Jahr nach der Wahl. Aha! Weiß eigentlich einer ganz sicher, ob die Angie schon Ihren Eid...
Wenn man sich intensiver mit der srilankischen Politik beschäftigt, kommt einem unweigerlich der Begriff Family Business in den Sinn. Der Vater der letzten Präsidentin war ebenfalls Präsident gewesen, ebenso die Großmutter. Ihren
Bruder hingegen hat die Präsidentin höchstselbst im Schnellverfahren zum Außenminister ernannt, nachdem die Tamilen seinen Vorgänger ermordet hatten. Mal abwarten, was aus ihrem Sohn wird, der sich wohl schon einmal warm
läuft, falls den jetzigen Präsidenten auch die Tamilen oder, wahrscheinlicher, die Lanka Ashok Busse erwischen.
Was ebenfalls auffällt in Sri Lanka, die Leute haben unglaublich viel Zeit. Gegen die ist der Typ aus der Jack Daniels Destillenwerbung ein absoluter Hektiker. Das macht die Srilanker einerseits sympathisch, bereitet andererseits aber
auch Probleme auf dem Dienstleistungssektor. Das Einchecken in einem der Luxushotels von Colombo dauert in der Regel mindestens dreißig Minuten, und auch das ist nur dann zu schaffen, wenn alle sechs Angestellten an der
Rezeption präsent und keine anderen Gäste im Wege sind. Vielleicht aus deswegen ändert dieses Hotel einmal jährlich den Namen, im letzten Jahr von Oberoi auf Plaza, in diesem Jahr von Plaza auf Cinnamon Grand. So bleibt von
etwaiger negativer Publicity wegen des schlechten Services nicht hängen.
Ähnlich langsam sind auch die Straßenverkäufer. Sogar zu faul für ein gepflegtes Hassling, wo gibt es denn so etwas. Ich will gar nicht erst wissen, wie es in der Intimdienstleistungsbrache aussieht und wie lange sich die im asiatischen
Raum für Touristen schon fast zum Folkloreprogramm zählenden Puffbesuche ziehen. Nur die Busfahrer scheinen weniger langsam und träge zu sein, aber vielleicht fahren sie ja auch nur deswegen so schnell, damit sie rechtzeitig
zum Faulenzen daheim sind.
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Bleibt noch ein besonders groteskes Phänomen zu erwähnen, das Mond- und Lichterfest Vesak. Angesichts des beschriebenen Arbeitseifers der Srilanker wird es den geschätzten Leser nicht Wunder nehmen, dass der Srilanker sich
pro Monat einen Mondfeiertag gönnt. Zusätzlich zu den hinduistischen und buddhistischen sowie den christlichen und muslimischen Feiertagen, wenn es darum geht, einen Vorwand fürs Blaumachen zu finden, ist der Srilanker nämlich
plötzlich wesentlich weniger rassistisch und religionsfanatisch als man das angesichts seiner Bürgerkriegslust gerne schon einmal glauben könnte. Und im Mai reicht ein Mondfeiertag sowieso nicht aus, da werden zwei, von manchen
auch drei Tage, oder warum nicht gleich eine Woche, frei gemacht, denn es ist ja Vesak. Es werden bunte Laternen aufgehängt, vor den Tempeln die Autos angehalten, um für die Fahrer kostenlos kleine Erfrischungen anbieten zu
können (und den Lanka Ashok Bussen unbewegliche Ziele zu bieten, was den Rammangriff erheblich erleichtert).
Irgendwie so eine Mischung aus Karneval und Sankt Martin. Anders als vor allem im Karneval gibt es aber während der gesamten Vesak-Woche weder in Lokalen noch in Geschäften Alkohol zu kaufen. Sind die sogar zu faul zum
Saufen?
Beim Laternenfest hat hier keiner die Lampe an - wie denn auch, man kann ja nirgendwo Alkohol kaufen! Aber nüchtern betrachtet ist es ja vielleicht ohne Spirituosen spiritueller.