Weh-Weh-Weh
Willis Hausbesuche
Weingut Heymann-Löwenstein (Teil I)
Hui, der Peer! Sitzt mit versteinbrückter Miene bei Herrn Jauch im Gasometer und wehrt sich tapfer gegen alle Versuche,
Konkreteres über seine Nebeneinkünfte in Erfahrung zu bringen. Überhaupt, wie kann man bei gefühlt mehreren
Millionen Vortragshonorar noch von Nebeneinkünften sprechen? Üblicherweise indiziert doch das Präfix "neben", dass
es da noch eine deutlich größere Hauptsache gibt? So ist es zum Beispiel mit den weitgehend nutzlosen und überdies
entzündungsanfälligen Nebenhöhlen im Schädel, die kleiner sind als die höchst nutzbringende Haupthöhle, die einem
die Zufuhr so wertvoller Stoffe wie Atemluft oder Riesling ermöglicht. So scheint es dann auch mit den Vorträgen vom
Peer zu sein. Die bringen das Haupteinkommen, machen ja auch die Hauptarbeit - denn Vorträge hat er seit der letzten
Bundestagswahl deutlich über achtzig gehalten, Bundestagsreden wohl nur vier. Die Vorträge sind also die Hauptsache,
das Abgeordnetenmandat die Nebentätigkeit. Das will er als Politiker nur vielleicht nicht so an die große Glocke hängen.
Beim Jauch hat der Peer dann auch noch sein Wahlprogramm erläutert: Den Spitzensteuersatz will er erhöhen und
wieder eine Vermögensteuer einführen. Man merkt, da trainiert einer schon darauf, wieder Finanzminister unter Frau
Merkel zu werden. Aber, Mensch, Steinbrück, bei all diesen Reichensteuern, da bist Du mit den Vortragsmillionen doch
dann selbst Dein bester Kunde!!?? Dann reicht es am Ende doch nur wieder für den Golf mit der Holzbank. Wusste ich
übrigens gar nicht, dass VW den im Programm hat, ich dachte, die hätten nur unwooded, ganz wie mein Weißweinkeller.
Aber wahrscheinlich rechnet sich das für die Wolfsburger, wenn der Bankenrettungsschirm vom Peer dann auch auf
Holzbanken ausgedehnt wird.
Aber mal ganz von der Frage abgesehen, in welcher Sänfte sich Peer später einmal als demokratisch gewählter
Vizekanzler durchs Land tragen lassen will, möchte ich doch noch einmal kritisch anmerken, dass mir nicht ganz klar ist,
was eigentlich eine Vermögensteuer soll. Die hat doch ihre volkswirtschaftliche Kontraproduktivität längst bewiesen und
wurde mir Recht 1997 abgeschafft. Wie wäre es stattdessen denn mal mit einer Unvermögensteuer? Da wären dann
neben Peer auch die meisten anderen Politiker mit bei den Einzahlern. Da käme viel mehr bei herum.
Wie dem auch sein und egal, ob der Mann am Ende aus Versehen doch Kanzler wird oder nur Finanzminister, es wird
gefährlich für unser Geld. Wir sollten es schnell in unauffälligen Werten anlegen, die bei den Vermögensteuereintreibern
nicht so auf dem Radar sind. Zum Beispiel in Wein. Vor diesem Hintergrund trafen sich dieser Tage einige
handverlesene Experten, um wieder einmal der Alterungsfähigkeit der Rieslinge aus dem Hause Heymann-Löwenstein
auf den Grund zu gehen. Ehe man das Geld in die Schweiz trägt
Anknüpfungspunkt war die große Uhlen-Probe, die wir fast auf den Tag genau drei Jahre zuvor in den Katakomben der
Kölner Seilschaft abgehalten hatten. Und natürlich haben wir uns damals auch Urteile über die Alterungsfähigkeit der
Uhlens erlaubt. Mal sehen, ob wir Recht behalten haben. Um die Sache etwas spannender zu machen, wurde blind
verkostet. Und es waren Piraten mit an Bord, so dass die Runde nicht einmal wusste, ob nun ein Löwenstein-Wein im
Glas war oder nicht. Da von allen Weinen etwas übrig geblieben war, konnte ich am zweiten Tag noch einmal
nachverkosten.
Den Anfang machte der Uhlen Roth Lay aus dem Jahr 2002. Schöne Nase, kandierte Aprikosen, etwas Schiefer, schon
sehr reif. Honig, eine Spur getrockneter Tabak, wirkt vom Duft her wie ein deutlich älterer Wein, eine restsüße Auslese
aus den Siebzigern vielleicht. Am Gaumen ebenfalls recht süß, deutlich halbtrockene Anmutung, ein Hauch Botrytis,
Karamell, Honig, Malz, eine zarte Aprikosenfrucht. Relativ dicht und auch mit ordentlich Länge unterwegs. Irgendwie fehlt
es ihm aber an Tiefe, an Spiel, an Druck. 83 bis 84 Punkte. In der Nachprobe am zweiten Tag bestätigt sich das
weitgehend, stand noch immer sehr auf der tabakigen Note, sogar etwas kalter Rauch schmeckte durch. Allerdings haben
sich zum Honig am Gaumen dann auch noch ganz feine Noten von Mandeln und ein rosiniger Ton gesellt. So machte er
mir dann ein klein wenig mehr Freude als am Vortag. Kratzt vielleicht sogar an den 85 Punkten. Aber natürlich war das
trotzdem eine Enttäuschung, zumal wir ihn vor drei Jahren noch bei 90+ Punkten gesehen und geschrieben hatten:
"Unglaublich jung. Braucht Luft und idealer Weise noch einige Jahre Reife." Tja, sollten wir uns damals wirklich so
reichlich getäuscht haben? Ich hatte die Vermutung, dass wir diesmal vielleicht eine nicht so ganz optimale Flasche
erwischt haben könnten. Und jubelte der Runde sieben oder acht Weine später einen zweiten Uhlen R 2002 unter.
Natürlich auch verdeckt. Aber leider mit demselben Ergebnis.
Aus 2003 kam der nächste Wein, aber nicht von den Löwensteins, sondern aus dem Lubentiushof, die Uhlen Spätlese.
Eine Spende der Barths, ganz herzlichen Dank! Schon sehr gereifte, firnige Nase, kräftiger Kräuterduft, Waldmeister,
etwas Minze, dazu ein erster petroliger Hauch. Am Gaumen ausgeprägte Süße, viel Saft, auch hier kräutrige Noten in
Hülle und Fülle, ohne dass das aber floral, grün oder gar bitter wirkte, wie so viele Weine dieses schwierigen Jahrgangs.
Recht viel Saft, mittlere Länge, wirkt etwas breiter als er tatsächlich ist, weil ihm jahrgangsbedingt ein wenig die Säure
fehlt. Trotzdem für 2003 ein guter Erfolg. 83 Punkte aus der Runde. Am zweiten Tag fragte ich mich, ob wir dem Wein
nicht Unrecht getan haben, er wirkte weniger breit, die Frucht kam etwas stärker hervor. Und gerade auch im direkten
Vergleich mit dem Uhlen R 2002 von den Löwensteins war es keineswegs der schlechtere Wein. Klar, das ist eine andere
Stilistik, der Barthsche Uhlen bringt auch mehr Süße mit, dennoch überzeugte er mich deutlich stärker als am Vortag. Ich
erhöhe für mich auf 85 Punkte.
Uhlen Roth Lay 2004 - KORK. Jahimmiherrgottsakrament, muss das denn immer sein. Zum Glück war eine weitere
Flasche im Keller, die ich sorgsam heruntergekühlt und zu einem etwas späteren Zeitpunkt in die Probe eingestellt habe.
Hier bleibe ich aber in der chronologischen Reihenfolge: Extrem kräftige, sehr reife Nase, leichte Firne, schöne Mineralik,
gelbe Frucht, sehr voll und mit viel Charme unterwegs, tänzelt um die Geruchsknospen wie einst Ali um den Frazier. Am
Gaumen pikante cremige Frucht, tolle Reife, gutes Spiel von Firne, Saft und Mineralik, stabiles Gerüst. Wird mit Luft
immer cremiger. Erinnert mich an den Schieferterrassen 2004, den ich bis vor zwei, drei Jahren im Berliner Weinstein
immer mit großer Freude getrunken habe. Nur ist der Roth Lay halt Schieferterrassen in XXL. Schöner, wenn auch etwas
zu schlanker Abgang, das Cremig-Mineralische bleibt allerdings fast ewig. 87 bis 90 Punkte aus der Runde, für mich klare
90, ein noch immer herrlicher Wein. Am zweiten Tag erst deutlich feuersteiniger in der Nase, im Glas entwickelt er sich
aber schnell wieder in die gleiche Richtung wie am Vortag. Vielleicht nicht mehr ganz so stabil und ausdrucksstark. Hat in
den 24 Stunden ein wenig abgebaut, so dass ich etwas am weiteren Reifepotenzial zweifle. Die restlichen Bouteillen in
meinem Keller werden bald dran glauben müssen. Die 97 Punkte, die die meisten Seilschafter ihm vor drei Jahren noch
gegeben hatten, verfehlte er jedenfalls an beiden Tagen deutlich. Das große Reifepotenzial, das auch der Weinkaiser ihm
damals in seinem Probenreport zugebilligt hatte, hat sich leider so nicht bestätigt.
Als nächstes gab es den Uhlen alte Reben 2005 vom Lubentiushof. Schöne Terrassenmoselnase, schiefrige Mineralität,
Kräuter, Honig, leicht briochig, ganz zarter botrytischer Einschlag. Am Gaumen saftig, beachtliche Fülle, herrlich
aprikosige Frucht, feine Süße, erste leichte Firne, sehr gut gereift, bleibt insgesamt etwas schlank, das aber sehr lang,
sehr geradeaus. Kommt mit Luft immer besser, wird fast ein wenig buttrig und deutlich voller im Abgang. Tolle Balance
zwischen Süße und Säure, bringt auch eine leichte Salzigkeit mit, die ihn noch einmal interessanter macht. 88 bis 89
Punkte aus der Runde. Am zweiten Tag unverändert, obwohl nur noch ein kleines Restchen in der Flasche verblieben
war - das spricht für die Langlebigkeit dieses Weines.
Weiter ging es mit dem Uhlen Roth Lay 2005. Sehr intensive Nase, Flankt aus dem Glas direkt in den Riechkolben.
Konfitierte Aprikose, etwas mürber Apfel, weiche Mineralik, extrem harmonisch, ohne deswegen unter einem Mangel an
Tiefe oder Komplexität zu leiden. Ich rieche minutenlang nur und wundere mich, dass um den Tisch herum eine kleine
Mäkelei beginnt. Doch die anderen hatten ihn schon am Gaumen, und, das muss ich zugeben, da hielt er nicht alles, was
diese wundervolle Nase versprach. Leichte Firne im Anklang, dann viel Aprikose, eine Spur Grapefruit ist auch dabei und
natürlich ein Pfund Schiefer. Leider sticht der Alkohol ein wenig. Einige hielten den Wein auch für bitter, ich vermute
aber, dass sie eigentlich auch den etwas bissigen Alkohol meinten, denn Bitterkeit konnte ich partout nicht feststellen.
Mit mehr Luft kommt auch noch ein kräuterwürziger Ton heraus, irgendwo zwischen Minze und Pfefferminze, ein leichter
Karamell und etwas Honig gesellen sich dazu, durchaus komplex, das Ganze, sehr voll, schöne Würze, aber nicht so
harmonisch wie in der Nase. Deswegen von mir "nur" 88 Punkte, was deutlich neben der Wertung der Runde lag, die mit
83 bis 85 Punkten wertete. Am zweiten Tag gefiel er mir sogar noch etwas besser. Die Nase war zwar vielleicht nicht
mehr ganz so intensiv, aber noch immer voll, ausdrucksstark und so wunderbar harmonisch. Und am Gaumen gab er
sich deutlich runder, auch wenn der alkoholische Stich natürlich nicht verflogen ist. Es war am Ende der Nachprobe am
Ende der eigentlichen Arbeit“ jedenfalls die Flasche, aus der ich mir als erstes nachschenkte und die als erste leer war.
Ich erhöhte folgerichtig sogar auf 89 Punkte. Womit er noch immer deutlich von den 97+ bis 98 Punkten entfernt war,
die wir ihm vor drei Jahren zugemessen hatten. Damals schrieb ich "Noch immer sehr, sehr jung" und der Weinkaiser
erhöhte: "Wird in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren mit dem 2004er Uhlen den Wettbewerb bestreiten, bester je
produzierter Uhlen zu sein". Nee, eher nicht. Tja, ich habe irgendwo mal geschrieben, man könne Sam Hofschuster
nichts Schlimmeres antun, als ihm einen vor Jahren von ihm verkosteten Wein vorzusetzen und begleitend seine
Verkostungsnotizen vorzulesen. Das gilt erst recht für andere Verkoster wie den Weinigel. Die Weine machen einfach
nicht das, was man gesagt hat, das sie tun werden. So eine Übung macht demütig. Bin ich froh, dass meine
Prognoseergebnisse bei den wirklich trockenen Rieslingen und erst recht bei den großen roten Bordeaux deutlich
belastbarer sind als bei diesen verflixten Löwensteinen.
Also lieber schnell weiter mit dem Uhlen Roth Lay aus 2006. Fruchtbetonte Nase, die aber auch viel Würze
mitbringt. Eine likörige Aprikosenfrucht im Gravitationszentrum, um die herum Kräutertöne und interessante
Gewürznoten kreisen. Fast ein wenig Lebkuchenbäckerei, da ist so etwas wie Kardamon mit drin, ein Spürchen
Zimt vielleicht auch. Mit Luft kommt noch etwas Melone und ein Hauch Zitrus zu der Aprikose, die aber Leitmotiv
bleibt. Am Gaumen nur ein ganz klein wenig jahrgangstypisch. So wenig, dass ihn blind nur einer am Tisch nach
2006 gesteckt hat. Also nur ein Anflug von Botrytis, das hätte ich heftiger erwartet, gerade weil ich die
Schieferterrassen und die Schieferterrassen alte Reben kenne, die aus ihrem Jahrgang keinerlei Geheimnis
machen. Pikant, animierend, voll, was für ein 2006er!!! Die Süße und die Mineralität stehen in einem geradezu
elektrischen Spannungsverhältnis. Kühl, blitzsauber, große Länge, dabei ungemein saftig. Eine tolle
Überraschung. 92 bis 93 Punkte aus der Runde, da waren wir uns einig. Lässt auch am zweiten Tag kein
Stückchen nach. Ein ziemliches Monument, von dem ich allerdings keine Flasche trinken würde, da bräuchte ich
zumindest noch die beste Igelin von allen zur Unterstützung, so voll und wuchtig kommt er daher. Noch immer
klare 93 Punkte. Und damit zwei Punkte mehr als wir ihm vor drei Jahren verpasst haben. Damals haben wir ihm
Alterungspotenzial immerhin implizit zugesprochen, indem wir feststellten, dass er an der Luft immer besser werde.
Und der positive Reifungsprozess lässt sich in der Tat über die Jahre gut beobachten, ich habe den Wein ja
immer wieder mal probiert. Er steckt die Jahrgangstypizität von Jahr zu Jahr besser weg und wird
erstaunlicherweise immer weniger botrytisch. Ist wahrscheinlich eigentlich wissenschaftlich gar nicht möglich,
schafft er aber irgendwie doch. Der Schiefer und die Frucht drängen den Karamell und den Honig über die Jahre
mehr und mehr in den Hintergrund.
Nun kam der nächste Pirat an den Start, Uhlen alte Reben 2007 aus dem Hause Lubentiushof. Wow!!! Eine
sensationelle Schiefernase mit fetter tropischer Frucht und viel Würze. Unglaublich dicht, man fasst es nicht. Eine
99 Punkte-Nase, ich wüsste kaum, wie das noch besser gehen sollte. Auch am Gaumen wunderschöne tropische
Frucht im Anklang, Maracuja, etwas Mango. Sehr cremig, weil die Frucht den durchaus wahrnehmbaren Alkohol
unter dem Arm einhakt und ganz schmerzlos am Gaumen entlang gleiten lässt. Nebenher fängt sie mit dem Lasso
auch noch einen Arm Kräuter ein, Minze, etwas ganz leicht Heuig-Grasiges ist auch dabei, dann wieder diese
Cremigkeit. Ewig lang, sehr tief, ein ganz großer Wein. 94 bis 95 Punkte aus der Runde, 95 auch von mir. Wurde
blind ganz eindeutig“ als Löwensteinwein identifiziert, weil man etwas so Großes niemand anderem an der
Terrassen-Mosel zugetraut hätte. Am zweiten Tag nur ganz unmerklich schwächer, es war aber auch nur noch
ein winziges Schlückchen in der Flasche übrig geblieben. Schade, dass es davon nichts mehr zu kaufen gibt, eine
Zwölferkiste würde ich dem heimischen Keller sofort einverleiben.
Direkt danach dann natürlich der Uhlen Roth Lay aus 2007. Sehr rauchig-mineralische Nase, leicht ankandierte
Frucht, mit mehr Luft kommt dann der Schiefer immer kräftiger in den Vordergrund. Dichte, fast brachiale Nase,
richtig viel Power, sagenhaft. Am Gaumen likörige Aprikose mit rauchiger Mineralik. Das spielt erst ein wenig ins
Tuffsteinige, Kreidige, dann wird es aber schnell deutlich feuersteiniger. Voll, viiiel Druck, sehr lang mit
ungemeinem Druck auch im Abgang. Sehr aprikosige Frucht, die sich wunderbar mit der Mineralik verträgt und
lang am Gaumen bleibt. 93 Punkte von mir, aus der Runde aber auch Wertungen von 91 und 92. Am nächsten
Tag habe ich ihn im direkten Vergleich zum 2006er nachprobiert, da wirkt er etwas weniger konzentriert, etwas
leichter. Hat nicht mehr ganz den Druck des Vortags, allerdings im Abgang nach wie vor extrem nachdrücklich,
dort hat er tolle Argument und in jedem Fall das letzte Wort. Im Anklang und in der Mitte kommt er deutlich
eleganter, feiner, tänzerischer daher, wunderbar harmonisch. Die 93 Punkte bleiben, bei aller Andersartigkeit steht
er für mich auf Augenhöhe mit dem 2006er. Nur dass ich hier die beste Igelin von allen nicht brauche, um die
erste Flasche zu leeren. Bei der zweiten darf sie dann mithelfen. Vor drei Jahren gaben wir diesem Wein übrigens
94 bis 97 Punkte und meinten, er müsse noch reichlich reifen. Das ist ihm inzwischen gelungen, jetzt kann man
ran, auch wenn er sich nicht ganz so großartig entwickelt hat, wie ich gehofft hatte. Aber das ist natürlich
Jammern auf höchstem Niveau.
Nochmal Uhlen Roth Lay, jetzt kam der 2008er an die Reihe. KORK - es ist doch zum Stacheln raufen!!! Zum
Glück war auch hier eine Ersatzflasche im Keller zu finden. Sehr typische, wunderbar volle Nase, ganz leichte
Firne, viel Schiefer, recht elegant und mittendrin ein Hektoliter sehr feine Frucht! Am Gaumen dominiert ebenfalls
diese Fruchtigkeit. Viel Stoff bringt er mit, saftige Fülle mit einem ganz leichen Karamell. Auch der Abgang ist lang
und druckvoll. Wenn man etwas bemängeln kann, dann die fehlende Tiefe und eine ganz leichte alkoholische
Schärfe. Dennoch schafft auch dieser Wein die Neun vors Komma, 91 Punkte aus der Runde. Am zweiten Tag
wirkt er sogar noch ein wenig frischer, ist noch etwas weicher und cremiger geworden. Jetzt fällt mir auf, wie
zurückhaltend sich die Säure präsentiert. Noch immer nicht mit der letzten Tiefe unterwegs, wo sollte er die auch
über Nacht hergeholt haben? Im Moment "leckerer" als der 2007er aber eben auch deutlich leichter, deshalb bleibt
es bei den 91 Punkten.
Noch ein letzter Pirat aus dem Uhlen, der alte Reben 2009, natürlich wieder vom Lubentiushof. Eine großer Dank
an die Barths, die nicht nur den 2003er gestiftet, sondern auch von den eigentlich ausverkauften Weinen aus
2005, 2007 und 2009 jeweils noch ein Fläschchen in der hintersten Kellerecke gefunden und uns sogar mit
Probenrabatt überlassen haben. Merci!!! Und wieder hatten wir unsere Freude! Noch sehr junge Nase, hefig,
etwas verschlossen. Kommt mit Luft erst langsam aus der Deckung. Leichte Spontannote, viel Kräuter, üppig,
vielleicht nicht ganz so komplex wie der 2007er. Am Gaumen viel gelbe Frucht, auch noch etwas verhalten und
nicht so komplex, wie ich diesen Wein vor wenigen Monaten noch im Glas erleben durfte. Vielleicht gerade in einer
etwas schwierigeren Phase, meinte auch der Scheff, der ja davon reichlich getrunken hatte. Ich wollte ja
eigentlich nichts mehr zu Reifepotenzialen der Terrassenmoselweine sagen, aber diesen hier würde ich, wenn ich
davon im Keller hätte, bedenkenlos noch zwei, drei Jahre dort ruhen lassen. Ich denke doch, dass er sich in
Richtung des 2007ers und des 2005ers entwickeln und sich noch besser zeigen wird. Im Moment bei aller
Verschlossenheit schon ohne weiteres bei 87 bis 88 Punkten.
Weiter ging es mit den Röttgens. Den Anfang hätte ein Röttgen alte Reben aus 2002 machen sollen, den
Reinhard und Conny Löwenstein freundlicherweise gestiftet hatten. Ganz herzlichen Dank!!! Ein nicht ganz so
herzlicher Dank geht auch an meine wunderbare Nachbarin, die das Paket etliche Tage vor der Probe
entgegengenommen und erst zwei Tage nach der Probe an mich ausgehändigt hat. Und natürlich sei auch der
Paketbote erwähnt, der keinen Zettel in meinen Briefkasten geworfen hatte, um mitzuteilen dass er das Paket bei
der Nachbarin abgegeben habe. So werden wir den 2002er bei nächster Gelegenheit in ähnlicher Runde
nachverkosten müssen. Und so machte der 2003er den Anfang des Röttgenreigens. Sehr karamellige, botrytische
Nase, Rosinen, Röstnoten, Brioche, auch eine Spur Honig. Schon mit einer ersten leichten Firne unterwegs.
Aber was heißt schon, der Wein ist schließlich neun Jahre alt und aus dem säurearmen Jahrgang 2003. Am
Gaumen recht voll, ziemlich karamellig, Rosinen, Nüsse, das ist fast Studentenfutter. Ein wenig wie eine
Beerenauslese mit einem ganz leichten Säuremanko unterwegs. Kräutrig, auch ein wenig tabakig, aber weder
bitter noch floral, wie schon der Uhlen Roth Lay aus 2003 hat er die gefährlichsten Klippen des Jahrgangs gut
umschifft. Eine Spur Marzipan im Abgang, wo das Ganze leider ein wenig breit und eine Spur alkoholisch wird. 83
bis 84 Punkte. Am zweiten Tag muss man diesem Wein eins lassen: Er bleibt bei sich. Kein Stück anders als am
Vortag, vielleicht kommt sogar noch etwas mehr Frucht heraus. Entwickelt sich mit Luft im Glas sogar noch ein
wenig und kratzt jetzt an den 85 Punkten.
Danach ging es nahtlos weiter mit dem Röttgen 2004: Jahrgangstypische Löwenstein-Nase, möchte ich sagen.
Wirkte der Uhlen Roth Lay wie ein Schieferterrassen XXL, hatten wir jetzt den Schieferterrassen XL im Glas.
Erstaunlich, wie sich in diesem Jahrgang die Jahrgangstypizität über die Terroirtypizität hinweg setzt, für mich war
das nicht in erster Linie ein Röttgen, sondern in erster Linie ein 2004er. Schöne schiefrige Mineralik, ein Spur
rauchig, gelbe Aprikose mit einem Hauch Quitte. Am Gaumen sehr cremige Frucht, feine Aprikose, nicht irrsinnig
opulent, aber sehr klar und gradlinig. Langer, sehr tiefer Abgang mit viel Schiefer im Fundament und obendrauf
dieser eleganten Aprikose. Mit mehr Luft gesellt sich dann auch noch ein marzipaniger Ton hinzu. Wird überhaupt
im Glas immer besser und kriegt dann am Ende von mir immerhin 89 Punkte, aus der Runde eher 87 bis 88. Wie der
Uhlen hatte auch der Röttgen am zweiten Tag eine deutlich feuersteinigere Nase bekommen. Mit Luft ging es dann
eher wieder auf den Schiefer und die Aprikose zurück. Hält das Niveau des Vortags spielend.
Einen sehr schwachen Piraten übergehe ich mal, als nächster folgte in der Chronologie der Röttgen 2005.
Rauchig-mineralische Nase, leichte Firne, insgesamt recht volle und ziemlich tiefe Nase, mit mehr Luft reichert
sich diese noch um pikante, minzige Kräutertöne an. Am Gaumen cremige Frucht, viel Würze, erinnert stark an
eine gut gereifte restsüße Auslese. Kommt mit Luft noch deutlich besser heraus, wird voller und fruchtbetonter.
Gute Länge, viel Druck im Abgang und hinten heraus noch immer eine erstaunlich volle Frucht. Dennoch nicht
ganz so komplex wie die größten Röttgens. 87 bis 88 Punkte. Am zweiten Tag noch deutlich trinkiger, das geht
runter wie Rohöl. Viel Würze und viel cremige Frucht im Anklang, in der Mitte dann auch mandelige Töne und ein
rosiniger Touch. Ist über Nacht noch etwas besser und voller geworden. Jetzt bei 89 Punkten.
Direkt daneben stellten wir den Röttgen 2005 alte Reben. Kräutrige Nase, schöne Mineralik, viel Schiefer, satte
Frucht. Sehr kräftig, schöne Fülle, ganz leichter Firnton. Am Gaumen deutlich mehr Süße als der einfache
Röttgen, schön dicht, vielleicht aber doch einen Hauch zu süß? Denn einerseits ist er von der Süße her
eigentlich noch zu jung, andererseits steht da auch schon der erste firnige Ton im Raum und malt ein
Fragezeichen an das Thema weiteres Alterungspotenzial. Dennoch, das ist ein Klassewein, viel Druck, sehr
komplex, gute Tiefe und Differenziertheit, bleibt auch im Abgang ungemein kräftig und voll. 89 bis 90 Punkte.