Svāgata
Willi Igel in Nepal
Als Vielflieger fliegt man nicht nur viel, man macht auch eine Menge mit. Irgendwann platzt dann einfach der Igelkragen. Diesen Punkt habe ich in diesem August auf
meinem Flug nach Nepal erreicht. Es reicht, künftig werde ich mich wehren! Deswegen hier jetzt als letzte Warnung ein offener Brief an alle Airlines:
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Ja ich weiß, dass es in den letzten Jahren verschiedene Versuche gegeben hat, Terroranschläge auf Flugzeuge zu unternehmen. Trotzdem zweifle ich, ob das
Personal solcher Verkehrsknotenpunkte wie der Flughäfen Kathmandu oder Thessaloniki mich so intensiv abtasten muss, als wollten sie auf dem Wege
herausfinden, ob ich Jude bin. In Thailand gibt so etwas nur im Rotlichtviertel und dort kostet das richtig Geld. Allerdings wird man dort auch von Frauen massiert,
oder zumindest von solchen, die wie Frauen aussehen.
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Weiterhin zweifle ich, ob diese Abtastaktion gleich dreimal an drei verschiedenen Stellen auf dem Weg zu ein und demselben Abflug erfolgen muss. Beim nächsten
Mal werde ich behaupten, schwul zu sein, und verlangen, von einer Frau abgetastet zu werden.
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Ich bin nicht sonderlich gebrechlich. Es ist von daher nicht notwendig, mich mit einem Bus zu einem Flugzeug zu karren, das nur 50 Meter Luftlinie vom Terminal
entfernt steht. Ich kann laufen.
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Zudem ist diese Busfahrerei auch nicht zeiteffizient, wenn der Bus für die Strecke von 50 Metern Luftlinie zwei Kilometer Umwege fährt und insgesamt fünf Minuten
braucht.
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Unverständlich ist auch, warum die Fluggäste schon in den Bus gepfercht und der Bus schon vor das Flugzeug gefahren wird, wenn der Flieger noch nicht zum
Einsteigen hergerichtet ist. Nein, ich bin kein Freund von Dampfsaunen und finde es seltsamerweise nicht erbaulich, vor dem Flug noch zehn Minuten in einem nicht
klimatisierten Bus auf dem Rollfeld des Flughafens von, zum Beispiel, Doha bei einer Temperatur von, zum Beispiel, 45 Grad im nicht vorhandenen Schatten zu
stehen. Es wäre übrigens relativ leicht, per Telefon herauszufinden, wann die Saftschubsen und die schwulen Purser in der Maschine ihre Vorbereitungsarbeiten
abgeschlossen haben, und den Bus erst dann loszuschicken.
- Man glaubt es kaum aber ich kann lesen. Insbesondere bin ich in der Lage, die Sitznummer auf meiner Bordkarte richtig zu erfassen und den Sitz im Flugzeug eigenständig zu finden. Das mag damit zusammenhängen, dass die
Reihen fortlaufend nummeriert sind, vielleicht auch damit, dass die Einzelsitze stets von rechts nach links mit alphabetisch fortlaufenden Buchstabenkennungen bezeichnet sind. Oder vielleicht bin ich auch nur ein
Orientierungsgenie, wer weiß. Ich verzichte jedenfalls hiermit feierlich und auf alle Zeit darauf, dass das Bordpersonal darauf besteht, meine irgendwo in der Hosentasche verkramte Bordkarte in Augenschein zu nehmen, um mir
überflüssige Ratschläge zum Auffinden meines Sitzes zu geben.
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Welche Freude, zum vieltausendsten Mal mehrsprachig die Sicherheitshinweise vorgetragen zu bekommen, die sich ohnehin noch einmal in Comicversion auf einer Karte in der Tasche an der Rückseite des Sitzes vor mir
befinden. Auch der arabischen Variante lausche ich immer wieder gerne. Zumal sie, zum Beispiel, bei Qatar Air nur mit wenig mehr Dezibel vorgetragen wird als ein auf Höchstdrehzahl laufender Presslufthammer emittiert. Ist
doch allemal besser, als mich auf die Lektüre mitgebrachter Bücher oder Akten konzentrieren zu können. Wichtig ist auch, und gerade bei Flügen zum Beispiel von Hannover nach Wien, darauf hinzuweisen, wie man sich bei
Notwasserungen zu verhalten hat. Die Donau kann im Hochsommer zum reißenden Strom werden.
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Ich leide nicht an Alzheimer. Nach ein paar tausend Flügen weiß ich, dass beim Start die Rückenlehne senkrecht zu stellen ist und der Tisch an der Rückseite des Sitzes vor mir oder in der Armlehne neben mir nach oben bzw. in
die Lehne zu klappen ist. Die Betonung liegt aber auf den zwei Worten beim Start. Ich bin in der Lage eigenständig zu erkennen, wann dieses Ereignis stattzufinden im Begriff ist. Mann erkennt das in der Regel ganz gut daran,
dass die Maschine beginnt, sich auf die Rollbahn zuzubewegen. Es ist von daher nicht erforderlich, mich bereits vor Beendigung des Boardings vorwurfsvoll darauf hinzuweisen, dass mit Blick auf den in ferner, oft unsicherer
Zukunft irgendwann vielleicht einmal anstehenden Start sofort die Rückenlehne senkrecht zu stellen sei. Und wenn ich Lust habe, das Tischchen vor mir stehen zu lassen, auf die Gefahr hin, dass es sich mir bei einer
Bruchlandung zwischen den sechsten und den siebten Rippenbogen bohrt, warum darf ich das dann nicht. Wem, außer mir selbst, könnte ich auf diese Weise Schaden zufügen?
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Ich gebe zu, der Umstand, dass ich mich immer wieder in eine viel zu enge Metallröhre quetschen lasse, die von der Möblierung her fatal an die Inneneinrichtung schottischer Spezialitätenrestaurants der Marke McDonalds
erinnert, und dass ich mir dort von stets aufgedonnerten, überschminkten und überkandidelten, in einigen Fällen sogar unsäglich pampigen (Weltranglistenerste unter den Airlines in dieser Hinsicht Qatar Air) Stewardessen
Vorträge drüber anhöre, wie ich mich zu verhalten habe, mag auf einen völligen Verlust von Ratio und gutem Geschmack hindeuten. Dennoch ist es vorschnell, daraus die Folgerung zu ziehen, dass ich die mir regelmäßig
vorgesetzte Nahrungsparodie als essbar oder gar wohlschmeckend zu betrachten geneigt sein werde. Und mein Magen wird dies schon gar nicht tun. Ich schätze es nicht, wenn man sich in dieser Weise über meinen Gaumen
lustig macht. Gleiches gilt für den angebotenen Wein. Und zwar in dritter Potenz.
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Nach einigen tausend Flügen hat es sich mir aus zahllosen Durchsagen von Flugkapitänen oder Sie, liebe Fluggäste, heute nach Hodenkirchen am Schanker fliegenden ersten Offizieren ziemlich eingeprägt, dass es in einer Höhe
von mehr als zehntausend Metern säuisch kalt ist. Ob es heute minus 43 Grad oder minus 55 Grad sind, ist mir aber relativ egal, da ich nicht auszusteigen beabsichtige. Und gegebenenfalls ohnehin von einer der pampigen
Stewardessen daran gehindert würde, die mir nicht einmal erlauben, über das Tischchen vor mir frei zu entscheiden. Auch ist es aus dem gleichen Grund relativ irrelevant, ob wir auf dem Flug von Bonn nach Berlin heute über
Paderborn, über Osnabrück oder gar über noch belanglosere Städte hinweg fliegen. Wie gesagt, ich führe keinen Fallschirm mit mir und beabsichtige nicht auszusteigen, in oder über Paderborn schon gar nicht. Von daher könnte
man diese wichtigtuerischen Durchsagen ohne verwertbaren Informationsgehalt durchaus unterlassen, zumal sie mich regelmäßig aus dem Schlaf reißen. Können wir uns vielleicht darauf verständigen, dass die Relevanzschwelle,
ab derer die Passagiere belästigt werden, vielleicht etwas heraufgesetzt wird? So etwa ab dem Verlust eines Triebwerkes oder gar einer Tragfläche aufwärts würde ich dann wieder neugierig, wie es weiter geht. Auch die
Außentemperatur könnte dann kurzzeitig relevant werden.
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Wie gesagt, ich leide nicht unter Alzheimer. Ich weiß, dass man beim Landeanflug angeschnallt auf seinem Sitz zu verharren hat. So richtig glaubwürdig sind die entsprechenden Vorschriften aber nicht, wenn die Stewardessen
und die schwulen Purser noch mindestens zehn Minuten in den Gängen herumlaufen bzw. in letzterem Fall herumtänzeln dürfen. Sind die irgendwie gegen das Unheil gefeit, das mir armem Normalsterblichen im Aufstehensfalle
drohte? Haben die gar ein knallhartes Überlebenstraining hinter sich? Vielleicht machen wir uns alle mal locker und fangen wir die Anschnallerei künftig erst an, wenn es wirklich in Richtung Landung geht? Und dann für alle
gleichzeitig.
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Vielleicht hatte ich erwähnt, dass ich nicht unter Alzheimer leide? Ich weiß es nicht mehr! Jedenfalls aber bin ich, man glaubt es kaum, nach einer Durchsage, die Maschine befinde sich im Landeanflug und die Passagiere hätten
bis zur Landung angeschnallt sitzen zu bleiben, in der Lage, mir den Inhalt dieser Durchsage bis zum Vollzug der Landung zu merken. Zumal die entsprechenden Symbole in der Leiste über den Köpfen der Passagiere mich ja in
trefflicher Weise immer wieder an das Anschnallgebot erinnern. Es ist daher nicht unbedingt erforderlich, dass die Stewardessen und die schwulen Purser bei jedem einzelnen Passagier noch einmal kontrollieren, ob er dem
Gebot auch Folge geleistet hat. Zumal ein Anschnallanarchist in erster Linie sich selbst gefährdet, da er bei einer Bruchlandung mit dem Schädel schlimmstenfalls in den Sitz vor sich oder in die Deckenverkleidung donnern
würde.
- Nein, ich leide nicht unter Kleptomanie. Auch erscheint es mir nicht logisch, wenn mir implizit unterstellt wird, dass ich mir zwar 4.500 Euro für einen Business-Class-Flug nach Südasien leisten kann, andererseits aber so bedürftig
bin, dass man mir die auf dem Flug verteilten Kopfhörer im Gegenwert weniger Cents schon lange vor der Landung wegnehmen muss, um zu verhindern, dass ich sie stehle. Zumal die Dinger ohnehin mit jedem Audiosystem,
das ich zuhause haben könnte, inkompatibel sind. Auch die verteilten Decken sind regelmäßig nicht gerade aus Kaschmir-Wolle und könnten den Fluggästen ohne großes Diebstahlrisiko bis zur Landung belassen werden, da die
meisten zuhause bereits über Decken verfügen. Allerdings gebe ich gerne zu, dass mich das rigide und fast schon beleidigende Einsammeln ein wenig dazu anstachelt, mir den einen oder anderen Kopfhörer und die eine oder
andere Decke zu leihen. Nur so aus Prinzip.
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Wozu dienen eigentlich diese ausfahrbaren Stahlarme an den Terminals? Ich war immer der Meinung, daran könnte man Flugzeuge andocken, um deren Passagieren einen schnellen Eintritt in das Terminal zu ermöglichen. In
letzter Zeit stelle ich aber immer öfter fest, dass etliche Stahlarme am Terminal meines Vertrauens nicht von Flugzeugen belegt sind und das meinige trotzdem irgendwo auf dem Rollfeld parkt. Wahrscheinlich um mich in den
Genuss einer ausführlichen Busfahrt über das gesamte Flughafengelände zu bringen, ehe ich Stunden später am kaum fünfzig Meter vom Parkplatz meines Fliegers entfernten Eingang des Terminals abgesetzt werde.
Wahrscheinlich ist man stolz darauf, einen so schönen Flughafen gebaut zu haben, und möchte diesen den Fluggästen von allen Seiten zeigen. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön.
Nepal ist ein armes Land. Das mag damit zu tun haben, dass sich maoistische Freischärler, ein korrupter König und eine kaum steuerbare Armee über viele Jahre
energisch und mit Waffengewalt bekämpft haben, um herauszufinden, wer am Ende die Armut verwalten darf. Gut, man hätte in der Zwischenzeit auch schon
einmal anfangen können, das Land aufzubauen, aber das wäre wohl zu einfach gewesen.
Nepal ist ein armes Land. Das mag auch damit zu tun haben, dass man den knappen Staatshaushalt dort nicht mit Mineralölsteuereinnahmen aufbessert, sondern
stattdessen den Kraftstoff staatliche subventioniert. Mit lässigen 110 Mio. Euro im Jahr. Bei einem Staatshaushalt von jährlich rund 400 Mio. Euro schlägt das
schon ganz schön zu Buche.
Nepal ist ein armes Land. Das mag auch damit zu tun haben, dass die Leute nicht zum Arbeiten kommen. Was wiederum daran liegt, dass sie im Stau stehen.
Was wiederum daran liegt, dass das Benzin billig ist und es kaum Straßen gibt. Was wiederum daran liegt, dass die Regierung keine Straßen bauen kann, weil sie
ja alles Geld für die Subventionierung des Benzins ausgibt. Also irgendwie sind die Leute damit weg von der Straße indem man sie auf der Straße beschäftigt
hält. Ein typischer Ausspruch in Kathmandu könnte lauten: Nehmen wir den Wagen? Oder eilt es, dann gehen wir lieber zu Fuß.
Werfen wir noch einen Blick auf die Fauna des Landes. Zu nennen ist da vor allem die in Nepal stark vertretene Yak-Kuh.
Ein regelmäßig heftig stinkendes Wesen, das hinter den sieben Bergen, um nicht zu sagen hinter dem Mond lebt und vor
allem Käse produziert.
Kausnacks aus Yak-Milch sind übrigens vor allem bei vegetarischen Hundebesitzern beliebt:
Der Käse wird aufgrund der besonderen Trocknung sehr hart und dadurch langlebig. Er ist also nicht nur schmackhaft,
sondern gewährt auch noch besonders langlebigen Kauspaß und ist dazu noch gesund! Ihr Hund kann sich daran
hervorragend austoben, seinen Kautrieb ausleben und gleichzeitig die Zähne pflegen.
Durch die Trocknung ist dem Käse ein Großteil seines Fettgehaltes entzogen worden, d.h. er ist auch sehr gut bekömmlich
und ebenso für magenempfindliche oder zu Übergewicht neigende Hunde geeignet.
Tipp: Wenn der Hund den Yak-Käse schon fast aufgekaut hat, legen Sie ihn einfach für 30-60 Sekunden bei 1100 Watt in die
Mikrowelle! Dadurch poppt der Käse auf und wird wieder größer! Vorsicht, gut abkühlen lassen!
Jetzt aber zu Nepal:
Soweit ist das wohl auch in Deutschland bekannt. Neu war mir allerdings, dass die Yak-Kuh im lokalen Idiom Zoni genannt wird. Irgendwie passt das ja, denn auch bei uns geben die Zonis ja vor allem Käse von sich und leben sie
hinter dem Mond. Und der Gebrauch von Deodorants ist im Osten auch noch keineswegs Allgemeingut.
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